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Zivilgesellschaftliches Bündnis alarmiert: Die EU und Österreich versuchen UN-Erklärung für Rechte von Kleinbauern zu verwässern published on

Zivilgesellschaftliches Bündnis alarmiert: Die EU und Österreich versuchen UN-Erklärung für Rechte von Kleinbauern zu verwässern

Bei der letzten Verhandlungsrunde der Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrats vom 9. bis 13. April 2018 haben die EU und Österreich eine Erklärung für die Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, torpediert. Sie weigern sich, grundlegende Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen anzuerkennen. Ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus bäuerlichen, entwicklungspolitischen und Menschenrechtsorganisationen schlägt Alarm und fordert stattdessen die EU und Österreich auf, sich für eine Erklärung einzusetzen, die die Rechte der ländlichen Bevölkerung stärkt. Die Erklärung wird voraussichtlich im Juni 2018 dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zur Annahme vorgelegt.

„Leider hat sich die Bundesregierung nicht direkt in die Verhandlungen eingebracht, sondern hat sich von der EU vertreten lassen. Diese brachte vor allem Vorschläge ein, die die Wirkkraft der Erklärung schwächen würden“, resümiert FIAN-Referentin Melanie Oßberger das Verhalten der EU und Österreichs in Genf. Die EU weigere sich bisher, grundlegende Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen anzuerkennen, wie zum Beispiel das Recht auf Saatgut, das Recht auf Land oder auf eine gesunde Umwelt, obwohl diese Rechte Voraussetzung für die Verwirklichung anderer Menschenrechte dieser Bevölkerungsgruppe sind. „Denn ohne Land und funktionierende Ökosysteme kann keine Nahrung angebaut werden“, kritisiert Oßberger. „Das Recht auf angemessene Nahrung hängt unmittelbar von diesen beiden Rechten ab.“ Darüber hinaus hat die EU gemeinschaftliche Rechte abgelehnt. „Kleinbauern und -bäuerinnen leben und arbeiten in vielen Regionen der Welt als Gemeinschaft und pflegen auch ihre natürlichen Ressourcen gemeinschaftlich. Rechte werden ihnen oft als Gemeinschaft streitig gemacht und müssen deshalb auch als gemeinschaftliche Rechte geschützt werden“, ergänzt Oßberger. Auch in vielen Gebieten Europas werden Weideland, Almflächen, Wasserquellen sowie Fischgründe gemeinschaftlich genutzt.

„Wir Bauern und Bäuerinnen kultivieren seit Jahrtausenden Saatgut und garantieren damit eine Sortenvielfalt, die für nährstoffreiche Nahrungsmittel, biologische Vielfalt und Anpassungen an Klimaveränderungen sorgt. Dennoch will die EU unser Recht auf Saatgut nicht anerkennen“, kritisiert David Jelinek von der ÖBV-Via Campesina Austria, der selbst Kleinbauer ist, das EU-Verhalten. „Die Agrarindustrie treibt überall auf der Welt die Vereinheitlichung von Landwirtschaft und Nahrungsmitteln voran. Dazu reißt sie zunehmend die Kontrolle über die landwirtschaftlichen Grundlagen wie Land, Wasser und Saatgut an sich. Staaten lassen dies zu und begünstigen dies sogar durch ihre Politik. Unser Recht auf Ernährungssouveränität muss dagegen geschützt werden“, fordert Jelinek. „Dazu braucht es dringend die Unterstützung auch der Bundesregierung und der EU für eine starke UN-Erklärung.“

„Gerade der heutige Tag des kleinbäuerlichen Widerstands zeigt die Notwendigkeit dieser Rechte. Er wurde vor 22 Jahren ausgerufen, als bei einer Demonstration für eine Landreform in Brasilien 20 Mitglieder der Landlosenbewegung erschossen und Hunderte verletzt wurden. Nach wie vor werden täglich Kleinbauern und -bäuerinnen weltweit von ihrem Land vertrieben, enteignet oder im Widerstand dagegen getötet. Allein im Jahr 2016 wurden 61 Morde an Landrechtsaktivist*innen in Brasilien gezählt. Diese Lage haben wir in vielen Ländern weltweit. Das muss endlich ein Ende haben.“ hält Jelinek fest.

Hintergrund der UN-Erklärung sind die weltweit zunehmenden Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen der ländlichen Bevölkerung. Unter Leitung von Bolivien diskutierten Vertreterinnen von Regierungen, Kleinbauernverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen die 28 Artikel und die Präambel des aktuellen Entwurfs der Erklärung. Unterstützt wurden sie dabei von Völkerrechtlerinnen und anderen Expert*innen.

Pressekontakte

Linnéa Richter, FIAN Österreich
+43 (0)1235023912
+43 (0)650/4055511

David Jelinek, ÖBV-Via Campesina Austria
+43 (0)699/81 32 5868 

Weitere Informationen
Die Webseite zur Sitzung der Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats finden Sie hier: http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/RuralAreas/Pages/5thSession.aspx
Den aktuellen Entwurf der UN-Erklärung finden Sie hier: http://bit.ly/2GImHDa