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200 Jahre Friedrich Wilhelm Raiffeisen: Ein Raiffeisen-Konzern zur bäuerlichen Selbsthilfe? Das kann nicht gut gehen! published on

200 Jahre Friedrich Wilhelm Raiffeisen: Ein Raiffeisen-Konzern zur bäuerlichen Selbsthilfe? Das kann nicht gut gehen!

Anlässlich des 200. Geburtstags von Raiffeisen unterstützt die ÖBV-Via Campesina die Solidaritätsaktion am 29. März 2018 für diskriminierte Bauern und Bäuerinnen am Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Platz in Wien. Die ÖBV hält an diesem Jahrestag fest: Aus der lokalen Selbsthilfeorganisation ist ein globaler Konzern geworden. Bäuerliche Solidarität und Selbsthilfe ist damit ins Hintertreffen geraten.

Alles aus einer Hand

Im Landwirtschaftssektor hat der Raiffeisen-Konzern nun fast alle Bereiche besetzt, in denen sich Geld verdienen lässt: Dies sind insbesondere die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereiche, die Raiffeisen oftmals in monopolhaften Strukturen beherrscht: der Agrar- und Betriebsmittelhandel, Landmaschinen, Kredite, Versicherungen, Mühlen und Molkereien. Zugleich stieg auch der Anteil der Raiffeisen-Aktiengesellschaften, die nicht mehr die genossenschaftlichen Ziele verfolgen (müssen), sondern den Aktionären verpflichtet sind. In den ländlichen Regionen ist dieser Konzentrationsprozess deutlich zu spüren: Es gibt immer weniger Nahversorger, Molkereien und Mühlen. (1)

Raiffeisen als Profiteur des Strukturwandels: Verschuldete Höfe dürfen kein Geschäftsfeld sein

Das Höfesterben setzt sich ungebremst fort. Die Verschuldung der landwirtschaftlichen Betriebe wächst beständig. Raiffeisen setzt dem nichts entgegen, wie es im Sinne der „Hilfe zur Selbsthilfe“ eigentlich geboten wäre. Der Raiffeisen-Konzern ist vielmehr ein Profiteur des Strukturwandels, der die Industrialisierung der Landwirtschaft vorantreibt. Unter dem Schlagwort „Wachsen oder Weichen“ werden Raiffeisenkredite aufgenommen, wird bei Raiffeisen eingekauft, wird an Raiffeisen verkauft. Die Interessen von Raiffeisen widersprechen bäuerlichen Interessen und werden mit einer Scheineinheit verschleiert. Ebenso werden Schulden von „weichenden“ Bauern und Bäuerinnen mit deren Höfen und Land getilgt. Die ÖBV kritisiert: Wir Bauern und Bäuerinnen wollen nicht, dass Höfesterben und verschuldete Betriebe ein bloßes Geschäftsfeld sind. In dieser Logik wird das solidarische Prinzip durch das Recht des Stärkeren und durch wachsende Ungleichheit ersetzt.

Die ÖBV kritisiert: Statt nach wirtschaftlichen und politischen Lösungen zu suchen, in denen die Bauern und Bäuerinnen selbst bestimmen können, was für sie sinnvoll und wichtig ist, schielen Raiffeisen-AGs auf immer neue Exportmärkte. Schielen trägt nicht zur klaren Sicht auf das bei, was vor einem liegt. Die drängenden Probleme von Bauern und Bäuerinnen werden so aus den Augen verloren.

Vom Genossenschaftsverband zum Gefolgschaftsverband

Aus bäuerlicher Solidarität wird einseitige Loyalität, an die Stelle von Selbstorganisation unter demokratischer Kontrolle tritt das Durchwinken von Entscheidungen. – Und auf höheren Ebenen die Rechenschaftspflicht gegenüber Aktionären. Der Raiffeisenkonzern führt einen Spagat vor, der nicht auszuhalten ist. Dabei wird der Genossenschaftsgedanke entweder zur Fassade oder er muss gegenüber übergeordneten Ebenen verteidigt werden.

Genossenschaft geht anders!

Die ÖBV betont: Das Potenzial von Genossenschaften ist viel größer als das, was der große Platzhirsch mit dem Giebelkreuz heute ermöglicht. Statt bedingungsloser Loyalität braucht es mehr Mut und Offenheit für Neues. Dieser Realität sollten wir Bauern und Bäuerinnen ins Auge sehen. Einzelne Neugründungen zeigen, dass neue Wege bereits möglich sind. (2)

 

1) Auch in sinkenden Mitgliederzahlen beim Raiffeisenverband drückt sich diese Entwicklung klar aus: https://www.raiffeisenverband.at/raiffeisen-in-oesterreich/zahlen-im-ueberblick/

2) zum Beispiel der Förderungs- und Revisionsverband gemeinwohlorientierter Genossenschaften Rückenwind https://www.rueckenwind.coop/

 

Rückfragehinweis:

Franziskus Forster

+43 650 68 888 69