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ECVC-Jugend: Positionspapier zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) published on

ECVC-Jugend: Positionspapier zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)

Forderungen der European Coordination Via Campesina (ECVC) Youth Articulation

Mit diesem Positionspapier wollen wir unsere Hauptanliegen bei der aktuellen GAP-Reform vorantreiben und zugleich unsere Vision und unsere Alternativvorschläge präsentieren. Die GAP betrifft uns deutlich und weitreichend, jedoch haben wir keine Stimme in ihrem Reformprozess. Es reicht nicht aus, dass die Rolle von Junglandwirt:innen am Papier anerkannt wird. Wir wollen wirksame Politiken, die uns unterstützen und die uns das Recht verschaffen, an Entscheidungen mitzubestimmen. Denn es kann keine Zukunft der EU-Landwirtschaft ohne junge Bauern und Bäuerinnen geben.

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European Coordination Via Campesina Youth ArticulationPositionspapier zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)Juli 2021

In der finalen Phase der Verhandlungen der GAP-Reform wollen wir – das Sprachrohr der Jugend der Europäischen Koordination Via Campesina (ECVC) – dringend unsere Position darlegen. Wir befürchten, dass die reformierte GAP weiterhin die wirklichen Bedürfnisse von Junglandwirt:innen vernachlässigt, insbesondere jene von agrarökologischen Kleinbauern und -bäuerinnen. Bereits 2017 berichtete der Europäische Rechnungshof[1], dass jene Politiken der GAP, die die Jugend betreffen, für den Zeitraum 2007-2020 das dringende Problem des Generationswechsels in der europäischen Landwirtschaft unwirksam angehe. Derzeit können wir keine maßgeblichen Veränderungen zugunsten der Jugend in der Reform erkennen. Deshalb vermuten wir, dass die GAP weiterhin eines ihrer Hauptziele verfehlen wird: Den Einstieg von neuen Bäuerinnen und Bauern zu erleichtern.

Wir sind uns im Klaren, dass die GAP alleine nicht alle Probleme lösen kann. Es sind auch andere Politiken bezüglich ländlicher Regionen, ebenso wie nationale Maßnahmen und Regulierungen notwendig. Allerdings bleibt die GAP weiterhin der wichtigste politische Rahmen für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in der Europäischen Union.

Durch dieses Positionspapier wollen wir unsere Hauptanliegen zur aktuellen GAP-Reform vorantreiben und zugleich unsere Vision und alternative Vorschläge vorstellen. Die Gemeinsame Agrarpolitik betrifft uns erheblich. Und trotzdem haben wir keine Mitsprache in ihrem Reformprozess. Es reicht nicht aus, dass die Rolle von Junglandwirt:innen am Papier anerkannt wird. Wir wollen eine wirksame Politik, die uns ebenso fördert, wie das Recht, an den Entscheidungen mitzugestalten. Denn es kann keine Zukunft für die EU-Landwirtschaft ohne Junglandwirt:innen geben. 

Aber wir stellen uns erst einmal vor

Wir sind junge Menschen, die sich leidenschaftlich der Landwirtschaft widmen. Manche von uns sind bereits Landwirt:innen, aber die meisten von uns versuchen, solche zu werden. Manche von uns haben Landwirtschaft studiert oder sind Kinder von Landwirt:innen, aber viele andere kommen aus sehr unterschiedlichen Hintergründen. Wir bearbeiten die Böden in unserer Heimat, aber wir überqueren auch Grenzen; wir sind migrantische und Saisonarbeiter:innen, wir arbeiten in ländlichen und urbanen Regionen. Wir sind reich in unserer Vielfalt. Wir haben vielleicht nicht die Erfahrung, das Wissen, und die Fähigkeiten, die als “geeignet” angesehen werden, aber wir sind motiviert zu lernen. Unser Ziel ist es nicht, die europäische Landwirtschaft wettbewerbsfähig und profitabel zu machen, sondern die Lebensmittelversorgung durch Lebensmittelsysteme zu sichern, die sozial und ökologisch gerecht sind. Wir unterstützen die kleinstrukturierte agrarökologische Produktion von Lebensmitteln. Wir streben nach Ernährungssouveränität, nach dem Schutz der Artenvielfalt und nach der Anerkennung der Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen sowie Landarbeiter:innen.

Wir wollen eine Landwirtschaft, die zukunftsfähig und generationengerecht ist. Wir wollen, dass die EU die Schlüsselrolle von Junglandwirt:innen für die Landwirtschaft von heute und morgen anerkennt und diese auch entsprechend unterstützt und belohnt. Insbesondere wollen wir, dass die EU jene Junglandwirt:innen priorisiert, die dafür produzieren, um lokale Bedarfe zu decken und die  agrarökologische Ansätze anwenden. Wir lehnen Lebensmittelsysteme ab, die von Kapitalismus, Neo-Kolonialismus, Ausbeutung und von der Gewalt gegen Menschen und Natur abhängig sind. Für uns geht es in der Landwirtschaft nicht nur um Produktion von Lebensmitteln, sondern um eine politische Haltung.

Unsere Anliegen, unsere Forderungen, unsere Alternativen

Der gesamte Arbeitskräfteeinsatz in der EU Landwirtschaft ist immer weiter zurückgegangen und nur 11% aller landwirtschaftlicher Betriebe werden von Landwirt:innen unter 40 Jahren geführt.[2] Laut einer aktuellen Evaluierungsstudie der Europäischen Kommission trägt die GAP eher zur Aufrechterhaltung bestehender anstatt zur Gründung neuer Höfe bei. [3] Versuche von jungen Menschen und Neueinsteigenden, eine neue Tätigkeit auf mittleren und kleinen Höfen aufzunehmen, scheitern mangels Unterstützung (Finanzen, Ausbildung, Beratung) und mangels Anreizen.

Wir fordern Mitgliedsstaaten dazu auf, im Rahmen ihrer Nationalen GAP-Strategiepläne Junglandwirt:innen ein ausreichendes Budget zuzuweisen und die maximale Förderhöhe auf über 3 % des gesamten GAP-Budgets zu erhöhen, da 3 % unzureichend und zu wenig ambitioniert sind.  Wir erwarten ein starkes Monitoring, Rechenschaftspflicht und Transparenz der Politiken für die Jugend auf nationaler Ebene, damit sowohl die Einhaltung der Gesetze und Vorschriften, als auch gute Verfahrensweisen gewährleistet sind. Wir sind auch der Ansicht, dass die Ergänzende Einkommensstützung für Junglandwirtinnen und Junglandwirte für Mitgliedsstaaten nicht freiwillig sein sollte.

In manchen Ländern verlangsamt die Einkommensbeihilfe den Prozess des Generationswechsels, da manche Landwirt:innen diese Zahlungen als Einkommenszuschuss nutzen, um so ihre niedrige Rente auszugleichen. 

Wir fordern Mitgliedsstaaten auf, die Auswirkungen von nationalen Systemen zur Altersvorsorge auf den begrenzten Zugang von Junglandwirt:innen zu Landwirtschaft ernsthaft zu evaluieren und die Altersvorsorgesysteme auf eine Weise anzupassen, die sowohl für jüngere, als auch für ältere Generationen von Vorteil ist.

Laut dem EU-Rechnungshof scheitert die GAP darin, Junglandwirt:innen und Neueinsteigende zu unterstützen, da es keine Analyse dazu gibt, was ihre wirklichen Bedürfnisse sind.[4] Sowohl die Maßnahmen in der Ersten Säule I(Direktzahlungen), als auch in der Zweiten Säule (Ländliche Entwicklung) gehen jenseits von zusätzlichem Einkommen nicht auf die Bedarfe ein und scheitern auf diese Weise daran, Best Practice-Beispiele zu belohnen. Wir möchten darauf hinweisen, dass die letzte EU-Erhebung zu Jugend und Landwirtschaft im Jahr 2015 durchgeführt wurde.

Sicherzustellen, dass die GAP mit den echten Bedürfnissen und Bedarfen übereinstimmt und Best Practice belohnt, ist sowohl die Verantwortung der EU, als auch der individuellen Mitgliedsstaaten. Wir fordern eine neue EU Studie, um die aktuellen Bedürfnisse und Bedarfe von Junglandwirt:innen und Neueinsteigenden zu evaluieren. Und wir fordern, dass die agrarökologischen Kleinbauern und -bäuerinnen einbezogen werden.Erhebungen und Evaluierungen auf EU-, nationaler und regionaler Ebene müssen die Vielfalt der Erfahrungen unter jungen und neu einsteigenden Landwirt:innen berücksichtigen, insbesondere deshalb, weil sich ihre Sichtweisen erheblich von bereits etablierten Landwirt:innen unterscheiden.

Ein Punkt, der für uns von zentraler Bedeutung ist, ist dass die Logik hinter der Zuteilung von GAP-Finanzmitteln auf inakzeptable Weise ungerecht ist: Auf der Basis des Besitzes von Land und Kapital werden große und wohlhabende Betriebe mit ihren Kapazitäten für Investitionen in großem Maßstab bevorzugt, während mittlere und kleine Landwirt:innen, die umwelt- und klimafreundlichere Lösungen (insbesondere die Reduktion von Inputs und die Nutzung von Materialien aus zweiter Hand) anwenden, vernachlässigt werden. Diese kapitalistische Logik widerspricht der Vision der “Farm to Fork-” bzw. der “Vom Hof auf den Tisch”-Strategie (F2F), welche die Notwendigkeit festhält, agrarökologische und kleine Landwirt:innen zu unterstützen, um nachhaltigere und kürzere Nahrungsketten zu schaffen. Dies widerspricht auch den Zielen des Europäischen Grünen Deals (EGD), der ambitionierte Ziele bezüglich der Reduktion von Emissionen und bei sozialer Gleichheit hat.

Wir fordern die EU dringend dazu auf, die Unvereinbarkeit zwischen der GAP, der F2F-Strategie und dem EGD zu lösen. Wir erwarten uns auch eine GAP, die mit der neuen EU Biodiversitätsstrategie im Einklang ist, um landwirtschaftliche Artenvielfalt in Ökosystemen der Luft, auf dem Land und im Wasser zu sichern. Natürliche Ressourcen wie Land, Wasser und Saatgut sind Gemeingüter, die nicht dadurch geschützt werden können, wenn sie auf dem Markt als Waren verkauft werden.  

Wir sind fest davon überzeugt, dass Öko-Regelungen (Eco-Schemes) und Ökologisierungsmaßnahmen nicht dazu beitragen werden, die Ziele der F2F-, des EGD und der Biodiversitätsstrategie zu erreichen. Wir sehen diese Maßnahmen als ein weiteres Beispiel von „Greenwashing” an, welche die die Macht weiterhin in den Händen des Agribusiness belassen. Es gibt nichts “Ökologisches” an Präzisions- und High-Tech-Landwirtschaft. Wir kritisieren, dass die Öko-Regelungen (Eco-Schemes) in der aktuell definierten Form, nichts weiter bewirken werden, als die zerstörerischen Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft auf Ökosysteme, das Klima und den Lebensunterhalt der Menschen fortzuschreiben.

Dem Europäischen Parlament zufolge ist der Zugang zu Land die größte Hürde für Junglandwirt:innen und Neueinsteigende.[5] Aufgrund von Prozessen der Privatisierung und Kommodifizierung ist Land für diejenigen, die es nicht geerbt haben, die Pacht oder der Kauf zu teuer. Zusätzlich trägt die Verteilung von GAP-Mitteln auf Basis von Hektaren zur Landkonzentration und zu Wettbewerb darum bei, was es noch schwieriger für Neueinsteigende macht, landwirtschaftlich aktiv zu werden.

Die Jugend hat auch weniger Zugang zu Krediten: Die Europäische Kommission berichtet, dass 27 % aller Anträge von Junglandwirt:innen in der EU von Banken abgelehnt werden. Die Ablehnungsrate ist mit 9 % bei älteren Landwirt:innen im Vergleich dazu viel niedriger.[6]

Wir begrüßen und bestärken die Umsetzung eines verbindlichen Capping-(Deckelungs)-Systems um die Höhe der Fördergeldern zu begrenzen, die an große Betriebe zugeteilt werden; ebenso wie die verbindliche Umverteilungszahlung von großen Betrieben zu mittleren und kleinen, vor allem an solche, die von jungen Menschen betrieben werden. 

Wir setzen uns für einen grundlegenderen Wandel in der Art und Weise, wie Förderungen und andere finanzielle Hilfen verteilt werden, ein. Diese darf nicht mehr auf Basis von Landbesitz, Kapital oder Kapazitäten für Investitionen erfolgen, sondern muss von der Erbringung von sozialen ökologischen Praktiken und Leistungen an lokale Gemeinschaften und für das Gemeinwohl abhängen: Die Produktion von gesunden und nahrhaften Lebensmitteln, die Schaffung von festen Arbeitsplätzen, die Wiederbelebung von ländlichen Regionen, der Schutz von Artenvielfalt, der Respekt vor der Umwelt und den Tieren und die Nutzung von Materialien aus zweiter Hand. Darüber hinaus fordern wir sowohl die EU als auch die Mitgliedsstaaten auf, jene Initiativen zu unterstützen, die Neueinsteigenden erfolgreich den Zugang zur Landwirtschaft erleichtert haben, etwa beim Zugang zu Land und insbesondere  für agrarökologische Kleinbauern und -bäuerinnen.

Die Neugründungen sind oft von kleiner wirtschaftlicher Größe und von einer anfänglichen Teilzeitbeschäftigung des:der Pachtenden geprägt. Deswegen setzen wir uns für einen Einkommenszuschuss für neue Landwirt:innen ein, um diesen zu helfen: Wir glauben, dass Einkommensbeihilfe in Kombination mit Zuschüssen zur Gründung/Etablierung zur Verfügung gestellt werden sollten und dass der erhaltene Betrag schrittweise mit steigendem Einkommen reduziert werden sollte. Diese Hilfe sollte aufgeteilt und pro Monat ausgezahlt werden, um eine echte Ergänzung zum Einkommen sicherzustellen und dass es nicht für Investitionen genutzt wird.

Wir sind besorgt über die Auswirkungen der kontinuierlichen Deregulierung von Märkten und der Freihandelsabkommen (FHA) auf sinkende Agrarpreise. Diese machen es für alle Landwirt:innen – jung oder nicht – immer schwieriger, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. GAP-Mittel dürfen nicht zum wirtschaftlichen Ausgleich für unzureichendes Einkommen aufgrund der niedrigen Preise von Agrarprodukten sein. 

Wir wollen, dass die GAP auf Markregulierung beruht, um faire Preise für Landwirt:innen zu garantieren. Marktpreise sollen die sozialen und ökologischen Kosten der Produktion einbeziehen, um die zerstörerischen Auswirkungen von Dumping auf Exportländer zu vermeiden.

Wenn es um Handel geht, glauben wir, dass die EU aufhören muss, FHAs und Bergbauprojekte zu unterstützen, da sie zu Klimawandel, Umweltverschmutzung und sozialen Ungerechtigkeiten beitragen und Ernährungssouveränität sowohl im Globalen Norden und im Globalen Süden verhindern. 

Ländliche Regionen werden verlassen und fast 30 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der EU ist gefährdet, nicht mehr bewirtschaftet zu werden.[7] Durch den Mangel an Dienstleistungen und Infrastrukturen sind ländliche Gebiete unattraktiv und unzugänglich für junge Menschen. Gleichzeitig gibt es viele junge Menschen, die auf Höfen leben und arbeiten wollen. Doch sie stoßen dabei auf vielfältige Hindernisse, die von medizinischer Versorgung bis zum Zugang zu Bildung und dem Internet reichen. 

Wir müssen aufhören, ländliche Gebiete für die grenzenlose Expansion von Monokulturen zu benutzen. Stattdessen müssen wir sie in reiche und attraktive Orte verwandeln, in denen junge Menschen leben und arbeiten wollen. Mittel- und Kleinlandwirtschaft bietet die Möglichkeit, Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten zu schaffen – insbesondere für junge Menschen. Junglandwirt:innen sind zugleich eine potentielle Brücke zwischen ländlichen und urbanen Gebieten: Sie produzieren eher für Bürger:innen, Genossenschaften und andere Direktvermarktungsformen (solidarische Landwirtschaft/CSA, Food-Coops) als für traditionelle Großhändler, und sie leben und arbeiten oft auf den Höfen.

Wir fordern die Mitgliedsstaaten dazu auf, die Relevanz und die Ressourcen, die der zweiten Säule (Ländliche Entwicklung) in der GAP zugeteilt werden, zu erhöhen. Dies soll durch Investitionen, die an die spezifischen Bedarfe jeder Region angepasst sind, erfolgen. Wir glauben, dass diese Maßnahmen für Mitgliedsstaaten verpflichtend und nicht freiwillig sein sollen.  Angesichts der Schwierigkeiten für Junglandwirt:innen und Neueinsteigende, landwirtschaftliche Tätigkeiten aufzunehmen, sind wir der Ansicht, dass alle Neueinsteigenden direkte und rechtzeitige finanzielle Hilfe bei der Gründung eines Betriebes erhalten sollen (z.B. 25.000 Euro).

In der Zweiten Säule sollten von den Mitgliedsstaaten Jugendfonds bereitgestellt werden, mit  transparenten Kriterien, die aufGleichheit und Bedarf beruhen, anstatt auf den wirtschaftlichen Möglichkeiten einer jeden Region.. Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Gelder, um Möglichkeiten für diejenigen Gebiete zu eröffnen, die die am wenigsten günstigen sozio-ökonomischen Bedingungen haben.

Die Europäische Kommission hat den Zugang zu Wissen als eine weitere Barriere für Junglandwirt:innen und Neueinsteigende anerkannt. 2016 hatten nur 43 % aller jungen Betriebsleiter:innen mehr als praktische Erfahrung.[8] Wir glauben, dass der Zugang zu Ausbildung, Beratung und Unterstützung für junge Landwirt:innen in Europa unzureichend ist. Die meisten Systeme der landwirtschaftlichen Betriebsberatung (FAS) für Neueinsteigende in der EU sind faktisch selten, unzureichend oder nicht existent und sie sind auch nicht kostenlos. 

Wir sind der Meinung, dass die GAP die Errichtung von Unterstützungsdiensten für Junglandwirt:innen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene unterstützen sollte. Diese Initiativen sollten kostenlos und zugänglich sein, sowie Beratung zu verschiedenen Aspekten ermöglichen, einschließlich Zugang zu Land, Finanzen und anderen Ressourcen. Die GAP sollte auch Initiativen unterstützen, die sich an Fähigkeiten und Fertigkeiten und das Teilen von Wissen unter Junglandwirt:innen richten. Diese Initiativen gibt es in Europa bereits und sie sollten als Best-Practice-Beispiele betrachtet werden.

Viele Junglandwirt:innen und Neueinsteigende, migrantisch oder nicht, sind Opfer von Ausbeutung. Abgesehen davon, dass sie prekäre und illegale Arbeitsbedingungen akzeptieren müssen, haben viele junge Menschen keinen oder einen nicht ausreichenden Zugang zur Sozialversicherung. Ohne Anstellung und ohne Sozialversicherung kann es für junge Landarbeiter:innen schwer sein, die Grundbedürfnisse zu decken (sauberes Wasser, Sanitäreinrichtungen, Ernährung, Unterkunft und Gesundheitsversorgung) was zu vielen verschiedenen Menschenrechtsverletzungen führt.  

Wir fordern die Einbeziehung einer sozialen Konditionalität in der GAP.[9] Landwirtschaftsbetriebe, die Menschen- und Jugendschutzrechte verletzen, dürfen keine Hilfe von der EU und den Mitgliedsstaaten mehr erhalten. Insbesondere wollen wir, dass die Rolle von jungen Frauen und jungen Migrant:innen in der Landwirtschaft klar anerkannt wird und von Institutionen auf lokaler, nationaler und EU Ebene unterstützt wird. Ebenso erwarten wir Kohärenz mit anderen Politikbereichen, wie etwa der Migrationspolitik.

Wir sind über die mangelhafte Partizipation von Junglandwirt:innen bei Entscheidungen in der EU sehr besorgt. Innsbesondere ist das beim Reformprozess der GAP sichtbar. Wir haben große Sorge, dass junge Kleinbauern und -bäuerinnen nicht repräsentiert sind, trotz ihrer hohen Bedeutung für die Zukunft der bäuerlichen und der Familienlandwirtschaft in Europa. 

Wir glauben, dass die GAP dazu beitragen soll, ein neues Governance-Modell für die Landwirtschaft in Europa zu schaffen, das auf den Prinzipien der Ernährungssouveränität beruht. Wir sind der Meinung, dass es dazu absolut notwendig ist, die Partizipation von Junglandwirt:innen an den Orten der Entscheidungen und in den Entscheidungsprozessen zu verbessern und zu diversifizieren, damit auf diese Weise der Dialog zwischen ihnen und den EU-Institutionen sichergestellt werden kann. Deshalb fordern wir die Schaffung einer EU-Gruppe für den zivilen Dialog in der Landwirtschaft, die Junglandwirt:innen gewidmet ist. 

Wir sind über den übermäßigen Stützung der GAP auf neue Technologien und Digitalisierung besorgt, da diese von Konzernmacht und Extraktivismus abhängig sind und weil sie mit enormen sozialen und ökologischen Kosten einhergehen.

Stattdessen unterstützen wir bäuerliche Technologien und Innovationen auf der Basis von Agrarökologie, welche nicht die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen erfordern und für alle zugänglich sind. Wir fordern die EU-Institutionen dazu auf, die Unterstützung eines Ernährungssystems zu stoppen, in dem Konzerne mehr Macht haben, als Bauern und Bäuerinnen.  

Wir lehnen die Liberalisierung von “Neuen Züchtungstechniken“ (New Breeding Techniques, NBTs) ab, da sie – wie ältere Generationen von GVOs – agrarökologische Vielfalt, die bäuerlichen Rechte  und bäuerliches Wissen gefährden können. Wir fordern das Verbot der Patentierbarkeit von Genen und von natürlichen Eigenschaften von Pflanzen und Tieren[10], und die Anerkennung der bäuerlichen Rechte, ihr bäuerliches Saatgut zu nutzen und tauschen.

Der Weg in die Zukunft

Wenn Europa für die kommenden Jahre die Ernährungssicherheit garantieren möchte, dann muss der Einstieg von neuen Landwirt:innen gefördert und unterstützt werden. Dies ist keine moralische Verpflichtung, sondern eine entscheidende Notwendigkeit. Wir brauchen eine längerfristige Perspektive und einen Paradigmenwechsel für die Zukunft der Landwirtschaft. Ernährungssouveränität und Agrarökologie bieten bereits konkrete Lösungen, wie wir Lebensmittel nachhaltig und fair produzieren, die Natur und die Menschenrechte respektieren, sowie die Produzent:innen und die lokalen Gemeinschaften unterstützen können. Kleinbäuerliche Landwirtschaft hat die Menschheit Jahrtausende lang erfolgreich und nachhaltig ernährt und den Lebensunterhalt in ländlichen Regionen gesichert. Wir müssen die kleinbäuerliche Landwirtschaft zum Blühen bringen und der einzige Weg, dies zu tun ist junge Menschen, die daran Interesse haben, anzuerkennen und zu unterstützen. Zuallererst aber brauchen wir den politischen Willen für einen Wandel, denn es kann keine Ernährungssouveränität in einem Wirtschaftssystem geben, in dem Profite und unendliches Wachstum mehr bedeuten als Lebensmittel.  


[1]Europäischer Rechnungshof, 2017 Sonderbericht Nr. 10 EU-Unterstützung für Junglandwirte sollte gezielter zur Förderung eines wirksamen Generationswechsels eingesetzt werden.  Verfügbar unter: https://www.eca.europa.eu/en/Pages/DocItem.aspx?did=41529

[2] Eurostat, 2016. Junge Menschen in der Landwirtschaft Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/key-policies/common-agricultural-policy/income-support/young-farmers_en 

[3]Europäische Kommission, 2021 COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT EVALUATION of the impact of the CAP on generational renewal, local development and jobs in rural areas. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/food-farming-fisheries/key_policies/documents/ext-eval-cap-gene-renewal-study-report_2021_en.pdf

[4] Europäischer Rechnungshof, 2017 Sonderbericht Nr. 10 EU-Unterstützung für Junglandwirte sollte gezielter zur Förderung eines wirksamen Generationswechsels eingesetzt werden.  Verfügbar unter: https://www.eca.europa.eu/en/Pages/DocItem.aspx?did=41529

[5]Europäisches Parlament, 2017 Research for AGRI Committee – Young farmers – Policy implementation after the 2013 CAP reform, DG for Internal Policies, policy department B – Structural and cohesion policies. Verfügbar unter: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2017/602006/IPOL_STU(2017)602006_EN.pdf

[6] European Commission, 2021. COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT EVALUATION of the impact of the CAP on generational renewal, local development and jobs in rural areas. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/food-farming-fisheries/key_policies/documents/ext-eval-cap-gene-renewal-study-report_2021_en.pdf

[7]Europäisches Parlament, 2020: Research for AGRI Committee – The challenge of land abandonment after 2020 and options for mitigating measures. Verfügbar unter: https://www.europarl.europa.eu/thinktank/en/document.html?reference=IPOL_STU(2020)652238 .

[8] European Commission, 2021. COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT EVALUATION of the impact of the CAP on generational renewal, local development and jobs in rural areas. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/food-farming-fisheries/key_policies/documents/ext-eval-cap-gene-renewal-study-report_2021_en.pdf

[9] European Coordination Via Campesina, 2021. Open Letter: the new CAP needs social conditionality. Verfügbar unter: https://www.eurovia.org/open-letter-the-new-cap-needs-social-conditionality

[10] European Coordination Via Campesina, 2016. Contribution of ECVC to the debate on Patents on plant and animal materials in the EU. Verfügbar unter: https://www.eurovia.org/wp-content/uploads/2016/10/EN-Contribution-of-ECVC-to-the-debate-on-Patents-on-plant-and-animal-materials-in-the-EU.pdf

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