Empfehlungen der ECVC für den Aktionsplan zum Generationenwechsel: Hindernisse und Lösungen für den Generationenwechsel in der europäischen Landwirtschaft. Eine Zusammenfassung.
Von der ECVC-Jugend
In Europa hören pro Tag 1.000 Höfe auf und die Hälfte der 9,1 Millionen europäischen Bäuer*innen wird in den nächsten 10 Jahren in Pension gehen. Angesichts dessen steht die europäische Landwirtschaft vor einer beispiellosen Herausforderung.[1]
Es ist wichtig, dass diese Höfe von einer neuen Generation übernommen werden. Darüber hinaus braucht es Millionen von Neueinsteiger*innen, um die europäische Landwirtschaft umzugestalten und ländliche Gebiete, die durch die Industrialisierung des Sektors abgewertet und verlassen wurden, zu erhalten und wiederzubeleben.[2]
Die ECVC ist überzeugt: Es ist möglich, den notwendigen Übergang des europäischen Landwirtschaftsmodells zur Schaffung von 10 Millionen neuen Höfen über den Wandel hin zu kleinbäuerlicher und agrarökologischer Landwirtschaft umzusetzen.
Um aber den aktuellen Trend umzukehren, müssen viele Hindernisse beseitigt werden, die derzeit jungen Menschen im Wege stehen, wenn sie in die Landwirtschaft einsteigen wollen. Diese beinhalten: Landkonzentration und Landspekulation, wodurch Land verknappt und der Zugang verhindert wird. Das Fehlen von angemessenen Einkommensmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen. Die Schwierigkeit der Finanzierung, ohne sich in untragbare Schulden zu stürzen. Der schwierige Marktzugang und das Fehlen von fairen Erzeugerpreisen. Die Schwierigkeit des Zugangs zu vielfältigen Formen des Wissens und der Ausbildung und auch das Fehlen von wirksamen Formen der Einbindung von jungen Bäuer*innen in agrarpolitischen Räumen und Prozessen.[3]
Das Thema des landwirtschaftlichen Generationenwechsels ist jetzt absolut entscheidend in der öffentlichen Debatte. Es steht auch im Zentrum der Empfehlungen aus dem Strategischen Dialog und Bäuer*innen gingen Anfang 2024 auch auf die Straßen, um eine Zukunft für ihren Beruf und für ihr Leben einzufordern. Es muss jetzt von den tatsächlichen Bedürfnissen, Forderungen und der konstruktiven Energie aller Jungbäuer*innen ausgegangen werden, damit eine Politik umgesetzt wird, die in der Lage ist, die oben genannten Hindernisse zu beseitigen. Dies erfordert mutige Entscheidungen, um Politiken und Regelungen abzuschaffen, die bisher versagt haben, den Generationswechsel in der Landwirtschaft zu sichern.
Was es braucht
Wir gratulieren der Kommission, dass sie erkannt hat, wie wichtig dieses Thema ist, und dass sie entschieden hat, dies zu einer Priorität zu machen. Es reicht nicht aus, die EU-Landwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen. Sie muss auch nachhaltig sein – ökonomisch, sozial und ökologisch – und das liegt in den Händen der neuen Generation der Lebensmittelproduzent*innen. Um dieser neuen Generation die Türen zu öffnen, muss der europäische Agrarsektor für junge Bäuer*innen, die ihren Lebensunterhalt bestreiten wollen, wirtschaftlich lebensfähig und ausreichend diversifiziert werden, damit verschiedene landwirtschaftliche Modelle existieren können. Es ist für die EU-Landwirtschaft unmöglich, mit Auslandsmärkten zu konkurrieren, wenn die Produktionsmethoden, die klimatischen Bedingungen und auch die regulatorischen und finanziellen Kontexte so unterschiedlich sind. Wenn Bäuer*innen ein faires Einkommen bekommen sollen, zugleich unsere Ökosysteme geschützt werden sollen und positive Wirkungen für das Leben am Land entstehen sollen, dann braucht es politische Entscheidungen, die das ermöglichen.
Angesichts dieses Kontextes müssen die strategisch entscheidenden Politikbereiche für den EU-Aktionsplan für den Generationenwechsel in der Landwirtschaft folgende sein:
Dringend müssen die Bereiche „Zugang zu Land“ und „Landbewirtschaftung“, sowie „Preise“, „Einkommen“ und „Arbeitsbedingungen“ angegangen werden.
Darauf aufbauend müssen die finanzielle Unterstützung von Neugründungen, der Marktzugang, die Ausbildung und die politische Steuerung und Verwaltung (Governance) angegangen werden.
Diese Liste von Politikbereichen wird von jenen, die im Agrarsektor arbeiten, breit geteilt. Jedoch ist es wichtig, diese Politikbereiche effektiv an die Vielfalt der jungen Bäuer*innen anzupassen. Die neue Generation von Bäuer*innen in Europa ist sehr divers – vermutlich noch diverser als in den vergangenen Jahrzehnten. Dies gilt ebenso für die Landwirtschaftsmodelle, die sie praktizieren.
Wer wir sind
Die Jugend der ECVC hält fest: „Wir sind junge Menschen, die sich leidenschaftlich der Landwirtschaft widmen. Manche von uns sind bereits Bäuer*innen, aber die meisten von uns versuchen erst, solche zu werden. Manche von uns haben Landwirtschaft studiert oder sind Kinder von Bäuer*innen, aber viele andere kommen aus sehr unterschiedlichen Bereichen. Wir bearbeiten die Böden in unserer Heimat, aber wir überqueren auch Grenzen; wir sind migrantische und Saisonarbeiter*innen, wir arbeiten in ländlichen und urbanen Regionen. Unsere Vielfalt ist unser Reichtum. Wir haben vielleicht nicht die „richtige“ Erfahrung, das Wissen, und die Fähigkeiten, die als „geeignet“ angesehen werden, aber wir sind motiviert zu lernen. Unser Ziel ist es nicht, die europäische Landwirtschaft wettbewerbsfähig und profitabel zu machen, sondern die Lebensmittelversorgung durch Lebensmittelsysteme zu sichern, die sozial und ökologisch gerecht sind. Wir unterstützen die kleinstrukturierte agrarökologische Produktion von Lebensmitteln. Wir streben nach Ernährungssouveränität, nach dem Schutz der Artenvielfalt und nach der Anerkennung der Rechte von Kleinbäuer*innen sowie Landarbeiter*innen. Wir wollen eine Landwirtschaft, die zukunftsfähig und generationengerecht ist. Wir wollen, dass die EU die Schlüsselrolle von Jungbäuer*innen für die Landwirtschaft von heute und morgen anerkennt und diese auch entsprechend unterstützt und belohnt.“[4]
Die drastische Reduktion der Anzahl der Höfe in Europa zeigt eine besorgniserregende Entwicklung hin zu einer Landwirtschaft ohne Bäuer*innen. Wenn nichts unternommen wird, dann werden wir mit ländlichen Räumen enden, die viel weniger lebenswert und bewohnt sind, weil ihre Hü- ter*innen verloren gehen. Die Rolle von Bäuer*innen liegt nicht nur in der Lebensmittelproduktion, sondern auch darin, für die Ökosysteme Sorge zu tragen, von denen alle Bewohner*innen eines bestimmten Territoriums abhängen. Ebenso geht es um das Überleben von lokalen Wirtschaftskreisläufen und von ländlichen Gemeinschaften. Mehr noch: In Zeiten von immer tragischeren Extremwetterereignissen überall in Europa ist die Rolle der agrarökologischen Produktion sowohl in Bezug auf den Schutz von natürlichen Ressourcen, als auch in Bezug auf die Anpassung an den Klimawandel immer entscheidender, denn dies ist die wichtigste Alternative zur industriellen Landwirtschaft und zu der Entwicklung, welche die Zerstörung des ländlichen Raumes erst verursacht hat.
Potenziale nutzen!
Der Agrarsektor hat also das Potenzial, die ökologischen und sozialen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, langfristig zu lösen. Damit dies aber geschehen kann, müssen die richtigen Bedingungen für die Jungbäuer*innen geschaffen werden, damit sie diesen Wandel vorantreiben können. Dies setzt voraus, dass wir auf die Re-Territorialisierung unserer Lebensmittelsysteme hinarbeiten, um die Bäuer*innen wieder mit ihren Territorien zu verbinden.
In diesem Szenario braucht es viele Höfe, und jeder Hof zählt. Der fortgesetzte Verlust von Höfen muss umgekehrt werden, jedes Gründungsprojekt muss begleitet und unterstützt werden. Wir wissen, dass die Führungsrolle der Europäischen Kommission in diesem Sinne entscheidend sein wird. Der Aktionsplan für den Generationenwechsel in der Landwirtschaft muss folgende Maßnahmen enthalten:
- Langfristigen Zugang zu Land für junge Menschen sichern.
- Faire Preise und angemessene Einkommen für junge Bäuer*innen und Landarbeiter*innen sichern.
- Angemessene und würdige Arbeits- und Lebensbedingungen gewährleisten.
- Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) so umgestalten, dass sie die Bedürfnisse von jungen Bäuer*innen trifft und ihnen dabei hilft, ihre Projekte zu finanzieren.
- Marktkanäle für junge Bäuer*innen unterstützen, lokale Märkte bevorzugen.
- Unterstützung, Beratung und Ausbildung für alle jungen Bäuer*innen, damit sie nachhaltig und ökologisch Landwirtschaft betreiben können.
- Die Rolle von jungen Bäuer*innen in der europäischen Agrarpolitik stärken.
Ausblick
Überall in Europa fordern die Bäuer*innen einen gerechten Zugang zu Land, faire Preise und ein menschenwürdiges Einkommen. Dieser dringenden Forderung nachzukommen, ist der Schlüssel zur Sicherung der Zukunft der europäischen Landwirtschaft für die kommenden Generationen. Wir müssen jetzt handeln, um der europäischen Landwirtschaft eine Zukunft zu sichern. Die europäischen Institutionen müssen sich entscheiden, ob sie entweder darauf setzen wollen, auf einem unfairen globalen Markt zu konkurrieren, oder ob sie auf die Schaffung starker und wirtschaftlich lebensfähiger Lebensmittelsysteme setzen wollen, die sowohl sozial als auch ökologisch nachhaltig sind.
Wenn die notwendigen mutigen Schritte ausbleiben, die hier vorgeschlagen werden, dann wird die EU weiterhin den tragischen Niedergang der ländlichen Räume und der lokalen Lebensmittelsysteme erleben. Die EU muss demgegenüber die aktuelle Dynamik nutzen und ihre Politik in eine Richtung ändern, die eine gute Zukunft für Lebensmittel, Umwelt und Gesundheit auf dem gesamten Kontinent gewährleistet.
Die ECVC-Jugend ist eine Arbeitsgruppe der Europäischen Koordination Via Campesina (ECVC), nähere Infos hier
[1] Dieser Text wurde zuerst in der Zeitschrift „Bäuerliche Zukunft“ Nr. 387, 2/2025 veröffentlicht und ist eine Zusammenfassung des Forderungspapiers der ECVC-Jugend vom Dezember 2024, die vollständige Fassung findet sich hier
[2] Punkt A im Bericht für den Agrarausschuss des Europäische Parlaments „Report on generational renewal in the EU farms of the future“ 2022/2182 INI, 3.10.2023.
[3] Für Geschichten von jungen Bäuer*innen aus Europa, die um ihre Existenzbedingungen in der Landwirtschaft kämpfen, siehe hier
[4] Auszug aus dem „Positionspapier zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU“ der Jugend-Arbeitsgruppe der ECVC. Siehe: „Wege für eine Bäuerliche Zukunft“, Oktober 2021, Ausgabe Nr. 369, S. 12-14