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EU-MERCOSUR: Gift-Paket in Brasilien überschattet Handelsabkommen published on

EU-MERCOSUR: Gift-Paket in Brasilien überschattet Handelsabkommen

ÖBV-Via Campesina Austria fordert Stopp des EU-MERCOSUR- Abkommens und eine andere Handelspolitik

Am 9. Juli hat die 34. Verhandlungsrunde zwischen der EU und den MERCOSUR-Staaten begonnen. Es wird angestrebt, das Abkommen bereits am 18. Juli beim Ministertreffen zu beschließen. Aktuell werden die Verhandlungen aber durch die Gesetzesinitiative für ein neues Pestizid-Gesetz in Brasilien überschattet. (1)

Treibende Kraft ist dabei der brasilianische Landwirtschaftsminister, Blairo Maggi, der zugleich der größte Sojaproduzent weltweit ist. Dieses Gesetz wird die Zulassung von Pestiziden und die umwelt-, gesundheits- und arbeitsrechtlichen Standards für Pestizide verwässern. „Was die Agrarindustrie als Entbürokratisierung und Vereinfachung bezeichnet, ist in Wirklichkeit ein Angriff auf Mensch und Umwelt. Das ist auch der Grund, warum 250.000 Menschen in Brasilien dagegen protestieren. Auch wir in Europa schließen uns diesem Protest an. Schließlich betrifft dies auch Produkte, die nach Europa exportiert und hier konsumiert werden. Und damit nicht genug: Derzeit wird über eine massive Ausweitung des Handels mit diesen Produkten verhandelt.“ kritisiert Franz Rest von der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innenvereinigung (ÖBV-Via Campesina Austria)

Bereits jetzt sind beispielsweise von den 121 in Brasilien im Kaffeeanbau zugelassenen Pestiziden 30 in der EU verboten. (2) Das neue Gesetz würde beide Zahlen erhöhen. Das Risiko von Verunreinigungen, Rückständen und Nebenfolgen steigt. Darunter das Pestizid, dessen Giftigkeit und Schädlichkeit weltweit am besten belegt ist: Paraquat von Syngenta. (3) Auch der Einsatz des dioxinhaltigen Herbizids 2,4 D oder von Glyphosat würde damit drastisch erhöht.

„Dass dies von den VerhandlerInnen nicht thematisiert wird, ist ein Skandal und verantwortungslos gegenüber den Menschen in Brasilien und Europa. Dies zeigt einmal mehr die schweren Demokratiedefizite der aktuellen Handelspolitik auf. Wir fordern einen Stopp der Verhandlungen. Das Gift-Paket reiht sich in eine lange Liste von Problemen ein. Exportinteressen der Agrarindustrie werden über die Gesundheit gestellt, schwerwiegende Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen werden ignoriert. Im Zusammenhang mit Landkonflikten werden aktuell in Brasilien weltweit die meisten Menschen getötet. (4) Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Expansion der Agrarindustrie. Solange diese Probleme bestehen, dürfen keine Verhandlungen geführt werden.“ so Franziskus Forster von der ÖBV-Via Campesina Austria weiter.

Über 250.000 Menschen haben in Brasilien bereits eine Petition gegen dieses Gesetz unterzeichnet, UmweltschützerInnen, bäuerliche und Landlosenorganisationen, Anwälte, Gesundheits- und KonsumentInnengruppen leisten heftigen Widerstand. Jüngst haben auch einige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte einen Brief an die brasilianische Vertretung in Genf verfasst, da durch dieses Gesetz Menschenrechtsverletzungen befürchtet werden. (5)

Das EU-Mercosur-Abkommen hätte negative Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Umwelt. Seit Jahren sind die Verhandlungen von heftiger Kritik und von regelmäßigen Skandalen begleitet: Gammelfleisch (6) und „Sklavenarbeit in Chicken Nuggets in deutschen Supermärkten“ (7) oder die Morde im Zusammenhang mit Landkonflikten (4) und die illegale Abholzung von Regenwäldern sind nur einige Beispiele. (1) Diese werfen ein Licht auf die Probleme, die durch die aktuelle Handelspolitik immer weiter verschärft werden.

Die Österreichische Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung ÖBV-Via Campesina Austria stellt sich gegen dieses Abkommen, das die Expansion der Agrarindustrie, die Entwaldung, die Verschärfung der Klimakrise, Dumping bei Preisen und Lebensmittelstandards, die Ignoranz gegenüber schweren Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten, die Zerstörung von kleinbäuerlichen Existenzen und die Gentechnik fördert. All das wird durch dieses Abkommen zunehmen. Gemeinsam mit kleinbäuerlichen und sozialen Bewegungen aus Europa, Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay fordern wir den Stopp dieser Verhandlungen. (8)

„Die Agrar-, Fleisch- und Gentechnikindustrie wird aus diesem Abkommen gestärkt hervorgehen. Die Frage ist: Wollen wir das? Ist das die Zukunft unserer Lebensmittel? Es braucht eine Abkehr von der aktuellen Handels- und Agrarpolitik, die Exporte ins Zentrum stellt und Politik für die Agrarindustrie macht. Es ist Zeit, dass auch die europäischen Bauernverbände endlich eingestehen, dass ihre jahrelange Unterstützung dieses Modells fehlgeleitet und zum Scheitern verurteilt ist.“ so Anneke Engel von der ÖBV-Via Campesina Austria.

„Die ÖBV-Via Campesina Austria fordert stattdessen eine demokratische Agrar- und Lebensmittelpolitik, die kleinbäuerliche Interessen ins Zentrum stellt. Nur so können Antworten auf die brennenden Fragen der Zukunft gegeben werden und zugleich gesunde, leistbare und qualitativ hochwertige Lebensmittel für alle produziert werden. Deshalb kämpfen wir für Ernährungssouveränität und bäuerliche Rechte: Es braucht eine neue Basis als Kompass für die Neuausrichtung der Landwirtschaft: Das Ziel sind gute Einkommen für Bauern und Bäuerinnen und gute Lebensmittel für alle, deren Produktion, Verteilung und Konsum nicht auf Kosten anderer geht.“ so Engel abschließend.

 

Rückfragen:

Franziskus Forster, ÖBV-Via Campesina Austria

Tel.: +43-650-68 888 69

 

Fußnoten:

(1) Gesetzesinitiative (PL), 6.299/2002, die das Gesetz Nr. 7.802 vom 11. Juli 1989 abändert. Dieses Gesetz wird auf Forschung, Experimente, Produktion, Verpackung und Kennzeichnung, Transport, Lagerung, Vermarktung, Werbung, Anwendung, Import, Export, Endlagerung von Abfällen, Registrierung, Klassifizierung und Kontrolle im Zusammenhang mit Pestiziden angewendet. Siehe z.B.: https://bit.ly/2N4oepY und https://bit.ly/2yK0ipt

(2) Bei Orangen und Zitronen sind es 33 von 116, bei Soja 35 von 150, bei Mais 32 von 120. Die Geografin Larissa Bombardi hat einen Atlas erstellt, in dem u.a. die Zulassungen in Brasilien und der EU verglichen werden: Bombardi, Larissa (2017): Geografia do Uso de Agrotóxicos no Brasil e Conexoes com a Uniao Europeia. Siehe: https://www.larissabombardi.blog.br/atlas2017

(3) https://pestizide.publiceye.ch/ und https://pan-germany.org/download/pan-international-list-of-highly-hazardous-pesticides/

(4) Siehe Bericht von Global Witness unter https://bit.ly/2vg0dTW und die Dokumentation der brasilianischen Landpastoral (CPT): http://bit.ly/2ABEITa

(5) https://www.ohchr.org/Documents/Issues/ToxicWastes/Communications/OL-BRA-5-2018.pdf

(6) https://bit.ly/2N3zylR – Seite 15

(7) https://www.ci-romero.de/presse-sklavenarbeit-in-chicken-nuggets/

(8) https://www.bilaterals.org/?12-reasons-why-we-say-no-to-the&lang=en und https://www.viacampesina.at/handelsabkommen-eu-mercosur/