Einer ersten Analyse der geleakten Version von Hansens „Strategischer Vision für die Landwirtschaft“ zufolge unterstreicht die ECVC, dass es in dieser einige positive Elemente zu fairen Preisen, zu Hofnachfolge und beim Zugang zu Land gibt. Aber die einseitige Forcierung von Exporten, Industrialisierung und Digitalisierung widerspricht den bisherigen Versprechen, dass die Bäuer*innen geschützt werden sollen. Auf diese Weise wird der so dringend benötigte Übergang verhindert.
Presseaussendung der Europäischen Koordination Via Campesina (ECVC), Brüssel, 14.2.2025
Der ECVC erwartet konkrete Maßnahmen, dass der Erkenntnis, dass die Bäuer*innen „bessere Einnahmen über die Märkte“ benötigen, endlich auch Taten folgen müssen. Die ECVC erwartet außerdem, dass die Kommission daran festhält, dass „Praktiken, bei denen die Landwirte systematisch gezwungen werden, unter den Produktionskosten zu verkaufen, nicht toleriert werden“. Die Kommission muss dabei über die Bekämpfung des „systematischen“ Kaufs unter den Produktionskosten hinausgehen, indem sie diese Praxis im Schnellverfahren auf der Grundlage von Artikel 170 in die schwarze Liste der UTP-Richtlinie aufnimmt. Sie muss außerdem – insbesondere für Kleinbäuer*innen – strenge Maßnahmen zur Gewährleistung der Umsetzung sicherstellen.
Die Vision anerkennt, dass die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) „noch weiter auf jene Bäuer*innen ausgerichtet sein muss, welche sie am meisten benötigen“ und dass die Kommission „Degression und Capping in Betracht ziehen“ wird. – Etwas, das die ECVC seit vielen Jahren gefordert hat. Damit dies geschieht, muss die GAP erneut dafür genutzt werden, um die Märkte zu regulieren: Mit dem Ziel, dass damit faire Preise und würdige Einkommen gesichert werden. Auf diese Weise können die Unterstützungsmaßnahmen aus der GAP dann auf den Übergang ausgerichtet werden, sowie auf günstige Startbedingungen für Neueinsteiger*innen, auf Krisenprävention und -management und auf jene Bereiche und Sektoren, die diese am meisten benötigen.
Dass Ernährungssouveränität und „agrarökologische landwirtschaftliche Praktiken als attraktive Optionen für junge Bäuer*innen“ festgehalten werden, unterstreicht den Bedarf nach einem Paradigmenwechsel. Diese beiden Punkte sind grundlegende Säulen in der Vision der ECVC. Ein agrarökologischer Übergang wird der Schlüssel zur Erreichung des Ziels sein, „eine zukunftsfähige Agrar- und Ernährungswirtschaft zu gewährleisten, die innerhalb der planetarischen Grenzen funktioniert“. Um dem Wunsch der Kommission, „die Abhängigkeit von Importen zu verringern“ und sich auf „fairere globale Wettbewerbsbedingungen“ zuzubewegen, braucht es aber folgende Grundlage: Zugrunde liegen muss die tatsächliche Definition von Ernährungssouveränität, wie sie von bäuerlichen Organisationen und sozialen Bewegungen definiert wird. Eine Vision, die sich nur auf die Ernährungssicherheit beschränkt, reicht bei weitem nicht aus. Die europäischen Bäuer*innen wollen nicht mit Bäuer*innen aus anderen Kontinenten konkurrieren. Die Priorität sollte darin liegen, gesunde Lebensmittel für die Menschen vor Ort zu produzieren, und nicht darin, von Exporten zu leben.
Die ECVC lehnt die in der Vision enthaltenen Aussagen über Wettbewerbsfähigkeit und Industrialisierung ab, die in krassem Widerspruch zu den Versprechen der EU an die Bäuer*innen und zu den Zielen der Vision selbst stehen. In der Vision heißt es, die EU werde „die Exporte von EU-Erzeugnissen strategisch viel gezielter fördern und verteidigen“ und „bilaterale Freihandelsverhandlungen und -abkommen in vollem Umfang nutzen“. Dies lässt jedoch die direkten Auswirkungen der EU-Handelspolitik auf den Preisverfall bei den Bäuer*innen und die weitere Industrialisierung der EU-Landwirtschaft außer Acht. Es ist völlig inkohärent und steht in krassem Widerspruch zueinander, einerseits diese exportorientierte Landwirtschaft zu fördern und gleichzeitig zu versprechen, die Agrarökologie unterstützen zu wollen und die Ernährungssouveränität gewährleisten zu wollen.
Im Hinblick auf das Thema Hofnachfolge reichen „jährliche jugendpolitische Dialoge“ nicht aus, um eine regelmäßige und strukturelle Konsultation der Jungbäuer*innen zu gewährleisten. Diese müssen Teil der regelmäßigen politischen Konsultationsräume sein. Jungbäuer*innen mögen zwar tatsächlich „Innovationstreiber“ sein, aber sie wollen nicht, dass ihnen die Digitalisierung und falsche technologische Lösungen aufgezwungen werden. Das haben die Jungbäuer*innen der ECVC beim ersten jugendpolitischen Dialog klar und deutlich betont. Es ist nicht akzeptabel, dass die Vision auf digitale Lösungen wie „Präzisionslandwirtschaft und datenbasierte Lösungen“ zur „Steigerung der Rentabilität“ und „Verbesserung der wirtschaftlichen Leistung der Betriebe“ drängt, während aber zugleich die andere Seite nicht einmal berücksichtigt wird: Wenn Bäuer*innen gezwungen sind, sich auf technologische Scheinlösungen zu verlassen, dann müssen auch die potenziellen sozialen, ökologischen und finanziellen Risiken für die Bäuer*innen bedacht und berücksichtigt werden.
Wie in der Vision anerkannt wird, ist die „begrenzte Verfügbarkeit von Land in einem Kontext zunehmenden Wettbewerbs um seine Nutzung“ eine der größten Sorgen für Jungbäuer*innen. Die Verpflichtung zur „Einrichtung einer EU-Beobachtungsstelle für Agrarland“ wird ein wesentlicher Bestandteil der Bewältigung des anstehenden Generationswechsels in der Landwirtschaft sein. Die ECVC fordert zugleich aber weiterhin Maßnahmen auf EU-Ebene, die über eine Beobachtungsstelle hinausgehen: In Form einer EU-Richtlinie über Land.
Die ECVC hofft, dass Hansen in seiner finalen Vision auf eine konkretere und kohärentere Umsetzung der Prioritäten der Kleinbäuer*innen in den Gesetzesvorschlägen und Politikbereichen der EU drängen wird.
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