Ein steiniger Weg.
Von Peter Schön
Aus der Zeitschrift „Bäuerliche Zukunft“ Nr. 387, 2/2025 zum Schwerpunkt „Junge Landwirtschaft“, s. hier
Ich bin Bauer. Dass ich das heute sagen würde, hätte ich noch vor ein paar Jahren beim besten Willen nicht erwartet. Nicht, dass es mich nicht interessiert hätte, aber es war einfach überhaupt keine realistische Option. Wie soll eine Person in die Landwirtschaft einsteigen, wenn kein Familienbetrieb da ist? Wieso sollte jemand überhaupt diesen Wunsch hegen, wenn doch allgemein bekannt ist, dass sich daraus ziemlich sicher kein gutes Einkommen erwirtschaften lässt? Außerdem ist es schwere Arbeit, ohne Urlaub und Wochenenden.
Schon als Kind war ich fasziniert, aber der Wunsch Bauer zu werden, kam erst viel später. Im Sommer 2015 arbeitete ich erstmals freiwillig auf einem Bauernhof in Thailand. Das war der Beginn vieler Arbeitserfahrungen als Helfer auf Hö- fen. Nach dem Studium reiste ich mit meiner Partnerin Sabrina, die ich in dieser Zeit kennenlernen durfte, durch viele Länder und wir besuchten Bauernhöfe, Gemeinschaften, Familien und spannende Einzelpersonen. Daraus entwickelte sich schließlich der Wunsch, ein eigenes Projekt ins Leben zu rufen. Wir wollten sesshaft werden und ein selbstbestimmtes bäuerliches Leben führen, soviel stand fest. Wie wir aber zu diesem Leben kommen würden, stand in den Sternen.
Mein Interesse lag beim Gemüseanbau und bei der Saatgutvermehrung, vielleicht auch einmal Schweine. Sabrina zog es in Richtung Pferde oder Schafe. – Tiere, mit denen sie bereits einige Erfahrung gesammelt hatte. Uns einte, dass wir von Selbstversorgung träumten und nicht vom großen Geld. Wir wollten Zufriedenheit, Sinn und Freude in der Arbeit finden.
Hof in Sicht?
In unseren Familien gab es keinen landwirtschaftlichen Betrieb zu erben, auch keine Äcker, Wiesen oder Wälder. Das ließ das Unterfangen von Anfang an recht unmöglich erscheinen. 2019 lernte ich die ÖBV kennen und nahm am Agrarpolitischen Grundkurs teil. Das gab mir die Möglichkeit, mich mit Bäuer*innen auszutauschen und ich erhielt viel ermutigenden Zuspruch. Beflügelt und von neuem überzeugt, die richtigen Ziele zu verfolgen, erstellten wir Anfang 2020 bei der damals noch jungen Plattform „Perspektive Landwirtschaft“ ein Profil als Hofsuchende. Die Idee der außerfamiliären Hofnachfolge erschien uns als große Hoffnung in unserer Situation. Zur gleichen Zeit durchstöberten wir auch sämtliche Inserate nach landwirtschaftlichen Immobilien. Aber wir sahen hier bald ein, dass wir uns auf diesem Wege wahrscheinlich keinen Hof leisten können würden. Über „Perspektive Landwirtschaft“ fanden wir dann tatsächlich einen interessanten Hof. Nach einigen Kennenlerntreffen beschlossen wir einige Monate vor Ort zu verbringen, um herauszufinden, ob wir diesen Weg gemeinsam gehen wollen. Leider kam es nicht dazu: Die Bäuerin bekam im letzten Moment kalte Füße und entschied sich gegen den Versuch. Mitgeschwungen hat unter anderem die Angst, das eigene Lebenswerk „Fremden“ zu übergeben und die Ungewissheit, welche Veränderungen mit dieser Entscheidung kommen würden.
Nach dieser Enttäuschung begaben wir uns gleich wieder auf die Suche. Über gemeinsame Freunde lernten wir nur wenige Wochen später einen Bauern kennen, der seinen Hof in junge Hände übergeben wollte. Erst nach einigen Monaten erfuhren wir, dass der Hof mit Schulden belastet war. Es war ihm schwergefallen, dieses Thema anzusprechen. Schnell wurde klar, dass wir uns die Tilgung der Schulden nicht leisten konnten und somit platzte wieder ein Traum.
Neuer Anlauf
Diese beiden Erfahrungen haben uns enttäuscht zurückgelassen. Der eigene Hof schien in ungeahnter Ferne, und wir wollten doch endlich ankommen. Außerdem entschied meine Partnerin während dieser Zeit, dass sie lieber in ihrem erlernten Beruf im Bauwesen statt in der Landwirtschaft arbeiten möchte. Natürlich akzeptierte ich diese Entscheidung, es war aber wieder alles neu und die Zukunft blieb ungewiss.
Glücklicherweise konnten wir dann günstig bei Freunden im Südburgenland wohnen und fanden beide einen Job. Nach einigen Monaten entdeckten wir online einen kleinen Hof in der Nähe, der inklusive Wald und Wiese versteigert werden sollte. Es war mit einiger Überwindung verbunden, aber wir fragten Eltern, Verwandte und Bekannte, ob wir uns Geld ausborgen könnten. Die Erinnerung an diesen Versteigerungstag im Sommer 2021 ist für mich wie ein Fiebertraum, ich durchlebte viele Emotionen. Schlussendlich boten wir unser selbst gesetztes Maximum: 120.000 € und waren Besitzer*innen eines Bauernhofs. – Unseres Bauernhofs. Plötzlich, einfach so. Es war schwer greifbar.
Bis wir die offiziellen Besitzer*innen waren, verging noch einmal ein halbes Jahr. Als wir die Bestätigung erhielten, begannen wir das Wohngebäude zu renovieren. An Landwirtschaft war noch nicht zu denken, zu viel Energie verpuffte in Job und Renovierung. Nach anderthalb Jahren konnten wir einziehen. Genau genommen ist es bis heute eine Baustelle, aber eine wohnliche.
Gründung in Sicht?
Als klar wurde, dass sich die landwirtschaftliche Tätigkeit mit meinem Beruf nicht vereinbaren lassen würde, beendete ich Anfang 2024 mein Arbeitsverhältnis. Daraufhin nahm ich über das AMS an einem Gründungsprogramm teil, das mich auf die geplante Selbstständigkeit vorbereiten sollte. Die Beraterin, die mir zur Seite gestellt wurde, hatte keine Erfahrung mit landwirtschaftlichen Betrieben und ich war mir selbst überlassen. Eine Freundin, die selbst ein paar Jahre zuvor einen kleinen Betrieb gegründet hatte, erzählte von ähnlichen Erfahrungen.
Glücklicherweise war die Landwirtschaftskammer in Oberwart sehr bemüht, mir zu helfen und ich konnte unkompliziert eine Betriebsnummer beantragen. Die eigentliche Herausforderung war aber, in die Sozialversicherung (SVS) aufgenommen zu werden. Mein Betrieb sei zu klein, der Einheitswert der Flächen zu gering, um als Vollerwerbsbauer zu gelten, hieß es. Mein Berater von der SVS empfahl, dass ich Flächen dazupachten solle. Kein Witz: Diese Flä- chen müsse nicht wirklich ich selbst bewirtschaften, es ginge nur darum, dass am Papier der nötige Einheitswert erreicht ist. Nachdem das nicht gelang, eröffnete er mir die Möglichkeit, dass ich freiwillig ansuchen könne, in die landwirtschaftliche Pflichtversicherung aufgenommen zu werden. Das fand ich erst recht absurd. Dazu musste ich bestätigen, dass ich mein „Einkommen überwiegend aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit“ decke. Da ich zu diesem Zeitpunkt aber noch kein landwirtschaftliches Einkommen hatte, war das natürlich nicht möglich. Ich begann zu verzweifeln, die Katze biss sich in den Schwanz.
Jedenfalls füllte ich mit dem Berater dann das Formular mit der nötigen Fantasie aus. Einen Monat später bekam ich einen Brief mit dem gleichen Formular zurück. Sie hätten meinen Antrag erhalten, aber ich solle das Formular noch einmal ausfüllen. Für den Fall, dass ich innerhalb einer Frist nicht antworte, würden sie annehmen, dass ich es mir anders überlegt habe! An diesem Punkt begann ich ernsthaft zu zweifeln. Führe ich hier einen Kampf gegen Windmühlen? Ich versuchte mich nicht unterkriegen zu lassen, und schickte das Formular erneut. Diesmal klappte es und mir fiel ein Stein von Herzen.
Das erste Jahr
Im Mai letzten Jahres fuhr ich, unterstützt von Sabrina, zum ersten Mal mit Salat, Spinat, Jungzwiebeln, Kräutern, Apfelsaft und Blumen auf den Oberwarter Bauernmarkt. Einige Wochen vorher begann ich auf etwa 200 m² Gemüse anzubauen. Seither hat sich die Fläche mehr als verdoppelt. Ich betreibe eine vielfältige Marktgärtnerei in der auf Qualität durch Handarbeit gesetzt wird. Es gibt hier alte Obstbäume, und ich habe einige neue Gehölze gesetzt, wir halten Hühner und Kaninchen für den Eigenbedarf. Ich kooperiere mit der Gärtnerei einer Freundin, und werde dafür mit Jungpflanzen versorgt. Nach einem Jahr als Bauer habe ich vieles gelernt, zufriedene Stammkund*innen bestätigen mich immer wieder aufs Neue. Und ich freue mich, dass ich dieses Leben führen darf.
Peter Schön
Bauer im Südburgenland und ÖBV-Vorstandsmitglied
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift „Bäuerliche Zukunft“ Nr. 387 2/2025 zum Schwerpunkt „Junge Landwirtschaft“ erschienen. Die Zeitschrift kann hier abonniert werden.