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Klimapolitik: Carbon farming ist ein weiterer Schritt zur Finanzialisierung der Landwirtschaft und zur Landspekulation published on

Klimapolitik: Carbon farming ist ein weiterer Schritt zur Finanzialisierung der Landwirtschaft und zur Landspekulation

Pressemitteilung 15. Dezember 2021, Brüssel, Europäische Koordination Via Campesina (ECVC)

Die Europäische Koordination Via Campesina (ECVC) hat den Inhalt der Mitteilung der Europäischen Kommission zu „Nachhaltiger Kohlenstoffkreisläufen“, die am Mittwoch, den 15. Dezember veröffentlicht wurde, scharf kritisiert. Wenn diese umgesetzt wird, dann begibt sich die Europäische Kommission damit auf einen Pfad, der noch mehr Schaden am Klima und an den Menschen verursachen wird.

Es ist offenkundig, dass die Carbon Farming Initiative die bereits bestehenden schädlichen Prozesse noch weiter verstärken wird. Sie steht im Widerspruch zu den systemischen Zielen, die im Green Deal und insbesondere in der “Farm to Fork”-Strategie ausgerufen wurden. Auch wenn die ECVC die Ziele des Green Deals und der Farm-to-Fork-Strategie begrüßt und das Potenzial anerkennt, dadurch einige der Beschränkungen der GAP zu überwinden, so ist doch zugleich die Umsetzung bei weitem unzureichend. Bei dieser Initiative geht es um die Kohlenstoffbindung, aber es wird nicht erwähnt, dass die Treibhausgasemissionen aus der industriellen Landwirtschaft reduziert werden müssen. Der Kohlenstoffmarkt ist deshalb eine Scheinlösung und wird weder den Klimawandel noch die Krise der biologischen Vielfalt bekämpfen, noch den ländlichen Raum und auch keinen fairen Zugang zu gesunden Lebensmitteln unterstützen.

Tatsächlich ebnet dieser Mechanismus den Weg zu einer noch nie dagewesenen Finanzialisierung der Landwirtschaft, bei der das landwirtschaftliche Einkommen von einem spekulativen Kohlenstoffmarkt abhängt, dessen Volatilität wir seit 2005 mit dem europäischen Kohlenstoffmarktmechanismus erleben. Die Initiative ermöglicht es großen Unternehmen, u. a. aus dem Energie- oder IT-Sektor, ihre umweltschädlichen Aktivitäten unter dem Deckmantel der Umweltfreundlichkeit fortzusetzen. Sie können ihre Emissionen durch den Kauf von Emissionsgutschriften für Land „kompensieren“, das eigentlich für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden soll. In der Praxis bedeutet dies einen Machtzuwachs für diese großen Unternehmen auf Kosten der Bauern und Bäuerinnen.

“Die Aufgabe der europäischen Politik besteht darin, die Erzeugung gesunder Lebensmittel für die europäische Bevölkerung zu gewährleisten, und zwar durch eine Landwirtschaft, die die Umwelt schont und Arbeitsplätze schafft. Diese Aufgabe durch einen spekulativen Marktmechanismus zu ersetzen, ist schlichtweg unverantwortlich”, sagt Morgan Ody, Kleinbäuerin aus der Bretagne, Frankreich, und Mitglied des ECVC-Koordinierungkomitees.

Andoni Garcia, Bauer im Baskenland und Mitglied des Koordinierungskomitees der ECVC, äußerte ebenfalls seine Bedenken: “Das Risiko der Spekulation und des Landgrabbings auf landwirtschaftlichen Flächen ist von den europäischen Institutionen bereits als Problem anerkannt. Die Tatsache, dass die GAP-Direktzahlungen dieses Risiko verursachen, wird sogar vom Joint Research Centre der EU untersucht. Und auch der Europäische Rechnungshof wird dieses Jahr eine Prüfung über Betrug und die GAP im Zusammenhang mit Land Grabbing veröffentlichen. Dieses Phänomen wird sich durch die im Rahmen der Initiative ‚Nachhaltige Kohlenstoffkreisläufe‘ angekündigten Maßnahmen noch verstärken: Der Zugang zu Land wird immer schwieriger, insbesondere für junge Menschen, und die Abwanderung aus ländlichen Regionen wird sich fortsetzen.”

Wir wissen bereits, dass die GAP nicht in der Lage ist, um die Nahrungsmittelproduktion in Europa zu sichern, und es ist bedauerlich, dass dieses Versagen durch die Initiative zur Kohlenstoffbewirtschaftung noch verstärkt wird. Die Initiative ignoriert, dass die Arbeit, die Bauern und Bäuerinnen leisten wollen und müssen, darin besteht, gesunde Lebensmittel für die Gesellschaft zu produzieren. Diese Initiative bringt uns noch weiter davon weg, den Bauern und Bäuerinnen den Zugang zu fairen und einträglichen Preisen zu sichern. Doch genau das wäre der richtige Weg, um den Übergang zu positiven Bewirtschaftungsweisen für den Klimawandel, die biologische Vielfalt und die Ernährung zu unterstützen.

Es ist eine echte Enttäuschung, dass in dieser seit der Präsidentschaft von Ursula von der Leyen lange erwarteten Mitteilung keine wirklichen Schritte für einen Übergang zu Nachhaltigkeit, Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität für das europäische Agrarsystem zu finden sind.

Kontakt (ECVC):
Morgan Ody – ECVC Coordinating Committee: +33 626 97 76 43 – FR, EN
Andoni Garcia Arriola – ECVC Coordination Committee: +34 636 45 15 15 69 – ES, EUS
Vitor Rodrigues – ECVC Coordination Committee: +351 966 468 055- PT, ES, EN

Hinweis Echter Klimaschutz statt CO2-Börsen”:
Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat gemeinsam mit vielen anderen Organisationen heute ein sehr lesenswertes Positionspapier veröffentlicht: “Keine Klimatricks mit Humus!“. Hier auch die Presseaussendung der AbL.