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(M)ein gutes Verhältnis zu Geld published on

(M)ein gutes Verhältnis zu Geld

Finanzentscheidungen im Lebensphasen-Modell. Im Laufe des Lebens treffen wir viele Entscheidungen. Viele davon wirken sich nachhaltig auf unsere finanzielle Situation aus und entfalten ihre Wirkung im Alter, wenn unser Handlungsspielraum am kleinsten ist.

Von Claudia Prudic

Der Einkommensunterschied (Gender Pay Gap) zwischen Männern und Frauen beträgt in Österreich 18,9 %, der Pensionsunterschied (Gender Pension Gap) mehr als 42 %. Es drängen sich zwei Frage auf: Erstens, warum gibt es diesen Unterschied zwischen Männern und Frauen und zweitens, warum vergrößert er sich so eklatant im Laufe des Lebens?

Als Mitarbeiterin einer Frauenberatungsstelle sehe ich finanzielle Abhängigkeit als Nährboden für jede Form von Gewalt. Ob frau in einer demütigenden Beziehung oder in einem ausbeuterischen Arbeitsverhältnis verharrt, hat viel mit ihrer ökonomischen Situation zu tun. Daher begann ich vor rund zehn Jahren Finanzbildung für Frauen anzubieten.

Im folgenden Beitrag möchte ich auf wichtige Finanzentscheidungen entlang der Lebensphasen eingehen und Beobachtungen aus meiner zehnjährigen Finanzbildungsarbeit teilen. Ich zeige Handlungsspielräume – individuell sowie für politische Arbeit – auf und weise auf neue Wirtschaftsformen hin.

Welche Finanzentscheidungen werden wann getroffen?

Während unserer Kindheit erleben wir, wie andere mit Geld umgehen. Wir beobachten, ob in der eigenen Familie über Geld gestritten oder darüber geschwiegen wird. Die meisten unserer Glaubenssätze in Bezug auf Geld wie etwa Geld verdirbt den Charakter, ohne Geld ka Musi prägen sich ein und beeinflussen unser Verhalten. Über Geld spricht man nicht erweist sich bei späteren Gehalts- oder Preisverhandlungen mitunter als verinnerlichte Barriere.

Mit der Berufswahl und dem Berufseinstieg werden finanzielle Weichen gestellt. Wenn ich als Bäuer*in selbstständig wirtschaften will ist die Frage, wie ich Zugang zu Produktionsmitteln (Land, Maschinen, Kapital etc.) erhalte. Erbe ich, erheirate ich oder suche ich mir andere Wege? Ist der Hof belastet? Welche Standbeine können beitragen? Oder möchte ich als Angestellte arbeiten – zu welchen Bedingungen? Wir beschäftigen uns mit Fragen zu Anstellungsverhältnis, Gehaltsbestandteile und Versicherungsoptionen. Das erwirtschaftete Einkommen soll gut verwaltet und Erspartes veranlagt werden. Manche machen erstmalig eine Arbeitnehmerveranlagung oder Steuererklärung. Bei einem Jobwechsel gilt es Vordienstzeiten zu berücksichtigen und Gehaltsverhandlungen zu führen.

Die Entscheidung in einer Gemeinschaft zu leben, ob Hofkollektiv oder Partnerschaft, hat zahlreiche finanzielle Folgen. Wie werden gemeinsame Kosten, Einkommen und Vermögen aufgeteilt? Welche Finanzierungsvariante birgt welches Risiko? Gibt es einen rechtlichen Rahmen für die gewählte Lebens- bzw. Betriebsform und welche finanziellen Vor- und Nachteile sind daran geknüpft, v.a. im Fall einer Trennung oder Auflösung der Gemeinschaft (z.B. Ehe vs. Lebensgemeinschaft vs. eingetragene Partnerschaft, gemeinsame vs. alleinige Betriebsführung, Verein, Genossenschaft etc.).

Durch die Übernahme von Sorgearbeit für Kinder und pflegebedürftige Angehörige stellt sich die Frage, nach der finanziellen Abgeltung für die (oft unbezahlte) Arbeit. So kann etwa Pensionssplitting[1] vereinbart oder der Familienbonus für eine private Pensionsvorsorge zweckgewidmet werden. Wie kreativ ein Ausgleich sein kann, zeigt das Beispiel eines Paares. Sie haben vertraglich festgehalten, dass er ihr für die geleistete Arbeit am Bauernhof ein Grundstück überschreibt, über das sie im Trennungsfall alleinig verfügt. Eine wichtige Rahmenbedingung für die Wiederaufnahme und das Ausmaß der Erwerbsarbeit ist die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung und Pflegeeinrichtungen.

Einschneidende Lebensereignisse wie Trennung, Krankheit und Tod von Angehörigen, häusliche Gewalt und Migration können in jeder Lebensphase auftreten und meist nicht verhindert, die finanziellen Folgen aber durch informierte Vorsorge abgeschwächt werden.

Die Altersvorsorge immer mitdenken

Empfehlenswert ist, die finanzielle Altersvorsorge immer mitzudenken und die Eckpfeiler des österreichischen Pensionssystems zu kennen. So braucht es eine Mindestversicherungsdauer von 180 Monaten für einen Eigenpensionsanspruch. Die Formel 65/45/80 bedeutet, dass wir mit 65 Lebens- und 45 Versicherungsjahren Anspruch auf 80% des durchschnittlichen Lebenseinkommens als Pension haben.

Individuelles Verhalten vs. struktureller Rahmen

Persönliche Finanzentscheidungen werden nicht im „luftleeren Raum“ getroffen. Förderkriterien, Zuverdienstgrenzen und Richtsätze, bis zur Anzahl von Pflegebetten sind Ausdruck politischer Entscheidungen. Darüber hinaus beeinflussen Rollenstereotype, gesellschaftliche Erwartungen und eigene Ansprüche unser Entscheidungsverhalten.

Wichtig ist, den Blick für diese verschiedenen Einflussebenen zu schärfen und zu erkennen, worauf wir unmittelbar Einfluss haben, und was wir indirekt z.B. durch aktives oder passives (gesellschafts-)politisches Mitgestalten verändern können.

Unmittelbaren Einfluss haben wir auf unser Denken, Fühlen und Handeln. Wir können unsere Glaubenssätze und das persönliche Verhalten auf Geschlechterstereotype überprüfen: Z.B. „ums Geld kümmert sich mein Mann“ wäre zu hinterfragen. Die Auseinandersetzung mit dem Wert der eigenen Zeit und Arbeit lohnt sich hinsichtlich der Preisgestaltung und deren gesellschaftspolitischer Argumentation.

Finanzentscheidungen haben oft widersprüchliche kurz-, mittel- und langfristige Auswirkungen. So kann bei der Frage der Kinderbetreuung eine traditionelle Arbeitsteilung kurzfristig Sinn machen. Langfristig betrachtet, nimmt die Person, die andere versorgt, eine niedrigere Pension in Kauf. Solche Dilemmas lassen sich lösen, vorausgesetzt, die Fakten werden tabulos besprochen.

Vernetzung und fehlende Daten

Dort wo der persönliche Handlungsspielraum an strukturelle Grenzen stößt, ist Vernetzung und Lobby-Arbeit wichtig. Durch meine Arbeit mit verschiedenen Zielgruppen fallen mir immer wieder Gemeinsamkeiten auf. Beispielsweise können gewisse Fragestellungen aufgrund fehlender Daten nicht beantwortet werden. Wieviel eine Bäuer*in im Vergleich zu unselbständig Erwerbstätigen verdient, kann nicht beantwortet werden, weil das Einkommen pro Betrieb erhoben wird. Auch die Statistik Austria erhebt das Haushaltseinkommen, was keine Aussage zulässt, ob alle im Haushalt gemeldeten Personen anteilsmäßig vom Haushaltseinkommen profitieren. Verteilungsfragen können aufgrund fehlender Daten nicht beantwortet werden und führen im schlimmsten Fall zu verdeckter Armut.

Neue Lebens- und Wirtschaftsformen im gesetzlichen Graubereich

Alternative Formen des Zusammenlebens und -arbeitens stoßen häufig auf veraltete Gesetze. Ein Beispiel dafür ist die Ausgleichszulage. Für deren Berechnung wird das Haushaltseinkommen aller im Haushalt Gemeldeten herangezogen. Das „fiktive Ausgedinge“ für Altbäuer*innen wird ebenfalls bei der Berechnung der Ausgleichszulage abgezogen. Für Menschen mit geringem Einkommen, die den Ruhestand zum Beispiel in einer Alten-WG anstatt am Hof verbringen möchten, ist das ein klarer Nachteil. Auch die Hofübernahme durch ein Kollektiv stößt an rechtliche Grenzen. Erfahrungen müssen daher gebündelt und an Politiker*innen adressiert werden, um Gesetzesänderungen zu erwirken.

Diese Beispiele stehen stellvertretend für kreative Antworten einzelner auf gesellschaftlichen Wandel und zeigen die Hürden, auf die sie stoßen. Es ist höchste Zeit, tabulos über alternative Lebensmodelle zu diskutieren und Gesetze nachzuschärfen, wo diese dem guten Leben hinderlich sind.

Claudia Prudic ist psychosoziale Beraterin beim Verein wendepunkt. Kontakt: Website Wendepunkt hier

 

Online-Quiz zu sozialer Absicherung & Finanzentscheidungen
Alle Leser*innen sind herzlich eingeladen am Online-Quiz teilzunehmen und ihr eigenes Wissen zu Finanzentscheidungen zu überprüfen und Anregungen zu erhalten. Klick dich hier rein

Wenn du in der ÖBV zu dem Thema mitarbeiten möchtest, wende dich an: upsichern-post{at]viacampesina.at

[1] Infos zu Pensionssplitting hier.