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ÖBV-Milchpositionspapier published on

ÖBV-Milchpositionspapier

In einem Positionspapier schlägt die Milchgruppe der ÖBV konkrete Schritte hin zu einer kleinbäuerlichen und alternative Milchwirtschaft vor – zu artgerechter Tierhaltung, Importbeschränkungen für Futtermittel und mehr Mitspracherecht der Produzent_innen und Konsument_innen in der Ausrichtung der Agrarpolitik anstelle eines unhinterfragten Exportprinzips der Agrarindustrie. Das Positionspapier zum downloaden.

Positionspapier:

“Ernährungssouveräne Milchproduktion Jetzt!
Die Anzahl der Betriebe mit 80 und mehr Kühen steigt rasant (Während die Gesamtanzahl der Betriebe seit 1995 von knapp 78.000 auf 34.000 abnahm, stieg die Zahl der Betriebe mit mehr als 200.000 kg Quote um den Faktor 16 (von 200 auf 3200 Betriebe), die der Kleinbetriebe sinkt kontinuierlich. Prognosen besagen, dass sich die Zahl der ProduzentInnen in den nächsten 10 Jahren halbieren wird.
Idyllische Fernsehbilder suggerieren eine nachhaltige Milcherzeugung in den österreichischen Bergen. Tatsächlich verschwindet die Milchproduktion aus den Bergen und konzentriert sich in den Grünlandlagen des Alpenvorlandes. Nur etwas mehr als 10% der österreichischen Milchkühe weiden auf Almen, und die Zahl ist rückläufig.

Die EU ist mit ca. 160 Mio. Tonnen Milch pro Jahr die größte Milchproduzentin der Welt. Auch wenn davon nur 10% exportiert werden, sind die Auswirkungen auf MilchbäuerInnen im Süden katastrophal. Die holländische Rabobank hat errechnet, dass 0,3% mehr (bzw. weniger) Milch auf dem Weltmarkt darüber entscheiden, ob der Weltmarktpreis noch als erträglich oder bereits als ruinös gelten muss. Österreich exportiert jährlich Milch und Milchprodukte im Wert von ungefähr 1,2 Mrd. Euro, dies aber vorwiegend in die EU. Die Ausfuhren haben sich seit dem EU-Beitritt versechsfacht. Österreich produziert fast 170 % des Eigenbedarfs an Milch.

Auch für die Bäuerinnen und Bauern innerhalb Österreichs und der EU wird die Situation immer verheerender. Die Weltmarktorientierung und die damit verbundene Überproduktion von Milch lösen zyklische Krisen aus, die viele MilcherzeugerInnen stark unter Druck setzen und immer öfter zur Aufgabe zwingen. Mit dem Ende der Milchquoten im April 2015 wurde auch das letzte Element eines ganzen Instrumentariums abgebaut, welches dem Milchsektor zuvor zur Verfügung stand, um Schwankungen der Weltmarktpreise abzufedern. Wird dieser Liberalisierungskurs weiterverfolgt, besteht eine akute Existenzgefährdung der kleinstrukturierten und insbesondere der im Bergland verorteten, bäuerlichen Milchproduktion. Dieser Kurs spielt durch voranschreitende Industrialisierung, dem alles beherrschenden Wachstumswahn und den daraus resultierenden niedrigen Erzeugerpreisen profitmaximierenden Interessen transnationaler Agrarkonzerne in die Taschen.
Die intensive Milchproduktion hat aber nicht nur Auswirkungen auf den Milchpreis und die Existenz von Bäuerinnen und Bauern. Auch aus der Perspektive einer artgerechten Tierhaltung ist eine Milchtierhaltung, die auf dem exzessiven Einsatz von Kraftfutter und der Zucht auf Hochleistung anstatt auf Lebensleistung beruht, nicht mehr zu akzeptieren.

Milchkühe müssen wieder wiederkäuergerecht gefüttert werden, das heißt vorwiegend Futter aus Dauergrünland und Feldfutter erhalten. Die bodenungebundene Milchproduktion, die auf der Verfütterung von importierten Eiweißfuttermitteln beruht, ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll und auch aus Tierschutzgründen abzulehnen.
Eine Abkehr von der exportorientierten Milchwirtschaft und ihrer politisch gewollten, auf importierten Ressourcen beruhenden Überproduktion ist ein zwingendes Muss, um die negativen Entwicklungen im österreichischen und auch europäischen Milchsektor abzuwenden. Die derzeitige Politik hat bereits schwerwiegende soziale, ökologische und wirtschaftliche Folgen für ganz Österreich, aber auch Europa.

Die ÖBV-Via Campesina Österreich (Österreichische Berg- und Kleinbäuer_Innenvereinigung) fordert daher:

  1. Interessen von Milchbauern/-bäuerinnen, sowie der Bevölkerung ins Zentrum einer neuen Milchpolitik statt das Interesse der Agrarindustrie!

  2. Abkehr von einer weiteren Marktliberalisierung: Einführung von Instrumentarien zur Regulierung der europäischen Milchmenge angepasst an die Nachfrage.

  3. Minimalanforderungen für alle Milchkuhbetriebe, die eine artgerechte Haltung gewährleisten sollen:
    a. 75% des Futters aus Dauergrünland bzw. Feldfutter
    b. Begrenzung auf 2 GVE/ha um eine bodengebundene Milchviehhaltung sicherzustellen.
    c. Verpflichtender Liegeplatz im Stall pro Kuh

  4. Gewährleistung von ÖPUL-Prämien für besonders wiederkäuergerechte Fütterung und freiwillige Produktionsbeschränkung:
    a. Freiwillige Beschränkung des Stalldurchschnitts auf 6000 l pro Kuh
    b. Limitierung der Kraftfutterzufuhr pro GVE
    c. Fütterung von ausschließlich GVO freien Eiweißfuttermitteln aus der EU

  5. Stärkere Mitsprache der Milchbauern und Milchbäuerinnen innerhalb der Molkereien und Solidarität zwischen den LieferantInnen

  6. Abschaffung von Preisabschlägen für kleine Milchbetriebe (Staffelpreis, Fixkostenbeiträge, Abholgebühren)- alle Mitglieder werden gleich behandelt.

  7. Abkehr von Exportorientierung: Vorrang regionaler Verarbeitung und Vermarktung
    a. Politische und wirtschaftliche Unterstützung beim Aufbau regionaler Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen (Molkereien, Käsereien)
    b. Politische und wirtschaftliche Unterstützung beim Aufbau von alternativen Vermarktungsstrukturen wie Direktvermarktung und ProduzentInnen/KonsumentInnen Netzwerken (z.B.: CSA und FoodCoops)
    c. Einschränkung der Praxis von Handelsketten, Produktionsrichtlinien und Preise vorzugeben
    d. eindeutig ersichtliche Herkunfts- und Produktionskennzeichnung und keine Werbung mit Eigenmarken

  8. Dem Wachstumswahn und der damit verbundenen Überproduktion soll im Rahmen der GAP mit folgenden Maßnahmen entgegen gewirkt werden:
    a. Flächenkonkurrenz stoppen – Buchhaltungspflicht ab 60 ha und volle Direktzahlungen nur auf die ersten 30 ha
    b. Investitionsförderung für Stallbauten nur, wenn zur Zeit des Ansuchens die entsprechende Flächenausstattung nachgewiesen wird (siehe Punkt 3.b.)
    c. Investitionsförderung nur bei ÖPUL Teilnahme sowie für Biobetriebe
    d. Ökologische Kriterien sowie Tierschutzkriterien in den Kriterienkatalog der Investitionsförderung aufnehmen bzw. ausbauen.
    e. Die Investitionsförderung darf nur für Stallbauten im Sinne des Tierschutzes bzw. zur Arbeitserleichterung verwendet werden. Förderfähig ist nur das bestehende Produktionsausmaß.
    f. Mindestinvestitionssumme senken bzw. mehrere Investitionen zusammenfassen können.
    g. Maximale Investitionsfördersumme pro Betriebsleiterperiode auf € 250.000 pro betriebliche Arbeitskraft bzw. auf € 500.000 pro Betrieb begrenzen.
    h. Umschichtung der Fördergeldern: von Investitionsförderung zu ÖPUL (u.a. Finanzierung Punkt 4)

  9. Dem Wachstumswahn und der damit verbundenen Überproduktion soll durch ein diversifiziertes Bildungs- und Aufklärungsangebote entgegen gewirkt werden:

a. Diversifizierung der Beratungsstellen”

 

Das Positionspapier zum downloaden.