Am 20.10.2024 fand in Traunkirchen „Kleinbäuerliche Wege. Konferenz für eine Landwirtschaft der Zukunft“ statt. Dabei wurden verschiedene Zugänge, Potenziale und Herausforderungen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft sichtbar gemacht und diskutiert. Über 110 Teilnehmer*innen, ein spannendes und vielfältiges Programm und viele neue Ideen machten diese Veranstaltung zu einem vollen Erfolg. Hier geht’s zur Nachlese:
Über die gesamte Konferenz im FAST (Forstliche Ausbildungsstätte Traunkirchen) spannten sich Fragen, die in verschiedenen Formaten und mit breiter Beteiligung von vielen spannenden Teilnehmer*innen diskutiert wurden: Worin liegt die Bedeutung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft heute und in Zukunft? Was macht die bäuerlichen Lebens- und Arbeitswelten vielfältig, lebenswert und erstrebenswert? Welche Problemlagen und welche Potenziale gibt es? Was braucht es, um die Lage von Kleinbäuer*innen zu verbessern?
Um diese Fragen zu diskutieren, wurde mit der Konferenz eine Plattform für Bäuer*innen, engagierte Bürger*innen, Kulturschaffende und Lebensmittelhandwerk geschaffen, um rund um die Themen Landwirtschaft, Lebensmittel und Umwelt konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Kleinbäuer*innen zu diskutieren.
Nach den Eröffnungsvorträgen gab es fünf Workshops und einen vielfältigen „Markt der Initiativen“. Weitere Highlights waren die Vorstellung des neuen Buches “Farming for Future” und das Bäuerinnenkabarett “Die Miststücke”.
Hier geht’s zum Überblick über das Programm
Wir danken allen Unterstützer*innen, Fördergeber*innen, Projektmitarbeiter*innen, Engagierten und Helfer*innen, Gastgeber*innen, Dolmetscher*innen und Teilnehmer*innen für ihren wertvollen Beitrag zum Gelingen dieser Konferenz! Danke!
Im Folgenden die Nachlese mit vielen weiteren Informationen, sowie Audiodateien :
Eröffnungsvorträge: Keynotes (EN/DE) und Diskussion
Zum Nachhören (Englisch): hier
Morgan Ody: La Via Campesina und kleinbäuerliche Wege
„Ich bin davon überzeugt, dass es in Zeiten von vielfältigen sozialen und ökologischen Krisen insbesondere Kleinbäuer*innen weltweit sind, die mit ihren Fähigkeiten eine würdevolle Zukunft der Menschheit aufbauen“
Morgan Ody – Generalsekretärin von La Via Campesina und Kleinbäuerin in Frankreich.
Mit diesen Worten hat Morgan Ody die Konferenz „Kleinbäuerliche Wege – Konferenz für eine Landwirtschaft der Zukunft“ eröffnet, nachdem sie der ÖBV zum 50-jährigen Jubiläum gratuliert hat. Die globale Bewegung La Via Campesina besteht aktuell aus 180 Mitgliedsorganisationen von Kleinbäuer*innen, Landarbeiter*innen, Hirt*innen, indigenen Bewegungen und Frauenorganisationen und hat 2023 ihr 30-jähriges Gründungsjubiläum gefeiert. Ody beginnt mit der Frage, was es bedeutet, ein*e Kleinbäuer*in zu sein? Sie produzieren Lebensmittel, aber sorgen auch für Energie und andere grundlegende Bedürfnisse, während zugleich auf die Natur geachtet wird. Aus einer globalen Perspektive ist es nahezu offensichtlich, dass Kleinbäuer*innen Teil einer würdevollen Zukunft für alle sind.
Ernährungssouveränität trägt dabei nicht nur zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Bäuer*innen bei, sondern ist für alle Menschen eine grundlegend wichtige Perspektive. Um Ernährungssouveränität weiter umzusetzen, hat La Via Campesina vergangenes Jahr einen Aktionsplan beschlossen. Dieser besteht aus fünf Handlungsfeldern:
- Die Verteidigung der Menschenrechte. Es ist unter anderem zentral, die UNDROP (UN-Deklaration über die Rechte von Kleinbäuer*innen und anderen Menschen, die in ländlichen Gebieten arbeiten) weiter umzusetzen und sich für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einzusetzen.
- Es geht darum, weltweit Agrarreformen durchzusetzen. Überall auf der Welt ist derzeit Land- und Wasser-Grabbing zu beobachten. Um das zurückzudrängen, braucht es Politiken, die diese Agrarreformen für Kleinbäuer*innen gesetzlich verankern.
- Es braucht eine neue Handelspolitik, denn aktuell sind der Freihandel und die Welthandelsorganisation (WTO) ein zentrales Problem für die kleinbäuerliche Landwirtschaft weltweit. Bäuer*innen werden gezwungen, gegeneinander, sowie gegen Konzerne zu konkurrieren. La Via Campesina arbeitet derzeit an einem Entwurf für eine neue Handelsordnung, welche auf Ernährungssouveränität, Menschenrechten und internationaler Solidarität beruhen soll.
- Agrarökologie muss vorangetrieben werden, um Ernährungssouveränität umzusetzen. La Via Campesina realisiert das unter anderem über Agrarökologie-Schulen. Die Alternative der Agrarökologie besteht hier nicht einfach aus einer Liste von verschiedenen Praktiken, sondern ist eine Weise, die Welt und unsere Territorien insgesamt mit anderen Augen zu begreifen. Eine Welt, in der wir nicht die Herrscher über die Natur sind, sondern in der wir mit der Natur arbeiten. Dementsprechend sind Ansätze, die technologiefixiert nur auf künstliche Intelligenz, Digitalisierung und synthetische Biologie setzen, aus agrarökologischer Sicht kritisch zu sehen, weil dadurch die Welt noch viel mehr als derzeit der Kontrolle von einigen Wenigen unterworfen wird.
- La Via Campesina will die eigene Arbeit zu kleinbäuerlichem Feminismus auf globaler Ebene stärken. Dabei sollen Frauen und queere Menschen ins Zentrum gerückt werden. Hier geht es um die Verwirklichung von Gleichheit. Denn Gleichheit war eine Forderung von Kleinbäuer*innen seit den Bauernkriegen vor 500 Jahren um 1525. Sie haben damals um Gleichheit gekämpft. Diese Perspektive hat nichts an ihrer Bedeutung verloren, auch heute geht es um Gleichheit in den Geschlechterverhältnissen, Gleichheit zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen unterschiedlichen Herkünften und anderem.
Ody zufolge gibt es zwei Wege, um dieses umfassende und ambitionierte Programm umzusetzen:
Erstens geht es darum, unsere Bündnisse und Netzwerke zu stärken und zu verbreitern. Das ist einer der Gründe, warum La Via Campesina zusammen mit anderen sozialen Bewegungen aus der ganzen Welt 2025 das nächste Nyéléni-Forum in Indien vorbereitet: Es braucht Bündnisse mit Gewerkschaften, Umweltorganisationen, mit der Bewegung für Klimagerechtigkeit, mit feministischen Bewegungen, mit Bewegungen für Public Health gegen Kapitalismus, Kolonialismus und Patriarchat.
Zweitens müssen wir aber auch auf staatlicher Ebene arbeiten. Es gibt weltweit immer wieder Regierungen, die offen für unsere Themen sind – derzeit etwa in Kolumbien. Es ist wichtig, an alledem weiterzuarbeiten.
Jan Douwe van der Ploeg: Kleinbäuer*innen und kleinbäuerliche Landwirtschaft im 21. Jahrhundert
Anschließend hielt Jan Douwe van der Ploeg, emeritierter Agrarsoziologe an der Universität Wageningen, der derzeit am College of Humanities and Development Studies der Chinesischen Agraruniversität in Peking lehrt, seine Keynote. Er begann mit den Bauernprotesten Anfang 2024 und knüpfte dann an Frage von Morgan Ody an: Was bedeutet es, ein*e Kleinbäuer*in zu sein? Seine Antwort: Als Kleinbäuer*in ist man mit einer feindlichen Umwelt konfrontiert: Mit Ausbeutung, durch Unterordnung, durch Marginalisierung und durch Enteignung. Diese feindliche Umwelt ist überall auf der Welt für die kleinbäuerliche Landwirtschaft charakteristisch. Darunter leiden die Kleinbäuer*innen, aber gleichzeitig leisten sie überall auf der Welt dagegen Widerstand, sie kämpfen, sie versuchen, darüber hinauszukommen und sie schaffen Alternativen auf individueller, aber auch auf kollektiver Ebene. Sie leisten Widerstand und versuchen, diese verschiedenen Kontexte, in denen sie arbeiten, zu verändern.
Dabei ist das Beispiel der Landlosenbewegung MST in Brasilien sehr anschaulich. Ihr Slogan „Besetzen, Widerstand leisten, produzieren und kooperieren“ betont mit dem Produzieren, dass es hier nicht um jegliche beliebige Produktionsweise geht, sondern um eine „bäuerliche Weise des Produzierens“, es geht um die Verteidigung ihrer Lebensweise und darum, in einer feindlichen Umgebung existieren zu können.
Wenn wir von „bäuerlichen Kämpfen“ und von Widerstand sprechen, dann müssen wir drei verschieden Formen des Widerstands unterscheiden: Erstens sind Formen, die wir alle kennen: Demonstrationen, Besetzungen, Aktionen. Diese Formen sind sichtbar und aktiv. Die zweite Form ist eher versteckt und passiv. Hierbei geht es um Steuervermeidung, um Subversion und um versteckten Widerstand gegenüber den Herrschenden und Ausbeutern. Hier geht es um unzählige Beispiele, die James Scott die „Weapons of the Weak“ bezeichnet hat. Und dann gibt es noch eine dritte Form von bäuerlichen Kämpfen. Diese unterscheidet sich von den ersten beiden, indem sie in der Produktion selbst stattfindet und nicht auf den Straßen, zu Hause oder anderswo. Hier geht es darum, die Produktion zu verändern, sie an die kleinbäuerlichen Interessen anzupassen, die Produktion neu zu organisieren, aber auch die Vermarktung der Produktion anders zu gestalten oder auch miteinander zu kooperieren. Auch das ist ein wichtiger Teil von bäuerlichen Kämpfen und von Widerstand, die überall auf der Welt zu finden sind.
Diese bäuerlichen Kämpfe gewinnen ihre Stärke und Kraft daraus, dass diese drei Formen je unterschiedlich kombiniert werden. Das führt zu einer großen Bandbreite und Vielfalt an verschiedenen Kämpfen. Insgesamt sind diese Widerstandsformen so ausgerichtet, dass sie versuchen, die Landwirtschaft bäuerlicher zu gestalten. Dies ist deshalb wichtig zu sehen, weil es unterschiedliche Formen oder Arten der Landwirtschaft gibt: Es gibt die unternehmerische Landwirtschaft („entrepreneurial agriculture“), die in Europa sehr weit verbreitet ist. Diese Form ist auf große Zuflüsse an Inputs angewiesen, ebenso findet sich hier ein hoher Kapital- und Kreditanteil, es wird versucht, mit Technologien das Handwerk und Arbeitskräfte zu ersetzen. Demgegenüber ist die bäuerliche Landwirtschaft („peasant-like agriculture“) nahezu das Gegenteil. Hier geht es um Autonomie, es geht um die Verwirklichung von besseren Einkommen, es geht um mehr Nachhaltigkeit, es geht um die Integration von sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit an den Orten der Produktion selbst.
Was bedeutet das nun in Europa? In Europa entfaltet sich dieser Kampf vor allem durch das Ringen um Multifunktionalität. Dabei geht es also nicht nur um die Produktion von einem einzigen Produkt, sondern auf Höfen werden eine breite Palette an Produkten erzeugt, es werden auch Dienstleistungen integriert, wie Urlaub am Bauernhof oder soziale Arbeit. Ebenso kommt es zu Erwerbskombinationen, was für ca. 75 % der Höfe eine Realität ist. Ein zweites Feld bäuerlicher Kämpfe in Europa ist Agrarökologie: Hier geht es um die Schaffung von bäuerlichen Märkten („territorial markets“), um die Selbstbestimmung und um eigenständige Regionalentwicklung. All das ist auch Teil der bäuerlichen Kämpfe, denn hier geht es um Autonomie, Gerechtigkeit und Gleichheit.
Ein Beispiel sind hier etwa Bäuer*innen in Nordfriesland, wo die erste Regionalkooperative („territorial cooperative“) gegründet wurde, aber auch die territorialen Märkte in Italien und vieles mehr. Wichtig ist aber auch, sich agrarökologische Alternativen näher anzusehen, etwa am Beispiel von Milchbetrieben aus der Bretagne. Hier zeigen sich in Bezug auf die Einkommen Unterschiede zwischen konventionellen Betrieben und graslandbasierten, agrarökologischen Höfen: Die Produktion pro Arbeitskraft in konventionellen Betrieben ist zwar höher. Aber zugleich zeigt sich, dass das Verhältnis zwischen Wertschöpfung und Gesamtproduktion (der „clean part“, der Teil, der letztendlich der bäuerlichen Familie übrigbleibt) bei der grasbasierten Bewirtschaftung mit 51 % viel höher ist als bei der konventionellen Bewirtschaftung mit 33 %. Das ist die geheime Stärke von Agrarökologie. Das liegt daran, dass die konventionellen Betriebe viel höhere Ausgaben haben, um Futterkonzentrate, Düngemittel und vieles mehr zu kaufen. Das bedeutet, dass das Einkommen pro Arbeitskraft auf grasbasierten Höfen höher ist als in konventionellen Betrieben.
Auf dieser Basis können viele Fragen gestellt werden. Zum Beispiel: Ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft für die Welt von Bedeutung?
Diese Frage kann man etwa mit einem Blick auf Themen von Klima und Energie beantworten: Hier wird deutlich, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft eine sehr bedeutende Verbindung zwischen Gesellschaft und Natur darstellt. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn wir uns das anhand der Energiefrage näher ansehen. Das kann anhand einer Grafik illustriert werden, die die historische Entwicklung (seit 1950 bis heute) von Energieinput und Energieoutput in der niederländischen Landwirtschaft zeigt. 1950 handelte es sich noch um eine bäuerliche Landwirtschaft, während wir heute großteils, aber nicht ausschließlich eine unternehmerische Landwirtschaft sehen. Diese Grafik zeigt, dass der Energieinput in dieser Zeit sehr stark gestiegen ist, während der Energieoutput (d.h. die Energie, die in den produzierten Nahrungsmitteln enthalten ist) mehr oder weniger gleich geblieben ist. Im Effekt heißt das, dass man 1950 80 Joule benötigte, um 100 in Nahrungsmitteln enthaltende Joule zu produzieren. Heute werden 260 Joule benötigt, um 100 Joule zu produzieren. Das bedeutet, dass die unternehmerische Landwirtschaft von einem Energieproduzenten zu einem Energiekonsumenten geworden ist. Das ist die große Bedeutung der „Wiederverbäuerlichung“ („repeasantization“), des Prozesses, dass es wieder mehr Bauern und Bäuerinnen gibt. Das ist eine der wirksamsten Antworten, um die Emissionen angesichts der Klimakrise zu reduzieren.
Das kann auch gezeigt werden, indem die Niederlande und China verglichen werden. In China gibt es eine sehr starke kleinbäuerliche Landwirtschaft. Um dieselbe Menge an Nahrungsmitteln zu produzieren, werden zwar mehr Arbeitskräfte benötigt, aber viel weniger fossile Energie. Es gibt auch andere Gründe, warum die kleinbäuerliche Landwirtschaft sehr wichtig ist: Etwa im Zusammenhang mit den vielen Ausprägungen der Probleme durch Stickstoffüberschüsse in den Stickstoffkreisläufen, unter denen wir in verschiedenen Teilen Europas (Niederlande, Belgien, Frankreich, Deutschland etc.) leiden. Ich gehe hier nicht ins Detail, aber in den Niederlanden haben Kleinbäuer*innen bewiesen, dass sie das Problem lösen können, nicht durch Worte, sondern durch Taten und Fakten. Diese haben sehr entscheidende Beiträge zu den politischen Diskussionen geleistet.
Kann die kleinbäuerliche Landwirtschaft attraktiv sein? Das ist auch eine sehr wichtige Frage. Ja, es kann sehr attraktiv sein, denn dadurch wird ein direkter Kontakt mit der Natur möglich, dadurch wird Autonomie möglich und der Arbeitsplatz und der Lebensort fallen zusammen, oft ist eine generationenübergreifende Kontinuität damit verbunden. – Aber… Es gibt ein „Aber“, denn es gibt gleichzeitig sehr viele Probleme, die gelöst werden müssen: Es müssen mehr Ressourcen und mehr Dienstleistungen ermöglicht werden (Internetzugang in ländlichen Räumen, soziale Dienstleistungen, etc.). Es gibt viele Probleme mit überbordender Bürokratie und es ist dringend, dass die Märkte gerechter reguliert werden. Auch der Zugang zu Land für junge Menschen muss verbessert werden. Das sind nur einige Beispiele, es gibt noch viele weitere Punkte. Eine ganze Menge muss getan werden. Auf globaler Ebene wurde von Morgan Ody bereits vieles genannt, aber auch auf lokaler Ebene kann vieles getan werden: Zum Beispiel können „territoriale Kooperativen“ gegründet werden, damit Bäuer*innen ihr eigenes Territorium regulieren und gestalten können. Sie können das viel besser, als es jemals durch den Staat möglich wäre. Bäuerliche Märkte sind ebenfalls sehr bedeutend für die Schaffung von Alternativen. Was aber auch sehr bedeutend ist, sind die unzähligen Initiativen, die überall existieren. Sie müssen sich vernetzen und zusammenschließen und in der Öffentlichkeit sichtbar werden. Auf diesem Wege wird es möglich, sowohl global, als auch lokal für eine gerechtere Welt zu kämpfen, in der die kleinbäuerliche Landwirtschaft wieder eine entscheidende und zentrale Rolle einnehmen kann.
Folien zum Eröffnungsvortrag von Jan Douwe van der Ploeg: hier
Blog von Jan Douwe van der Ploeg: hier
Bücher:
- The New Peasantries. Struggles for Autonomy and Sustainability in an Era of Empire and Globalization. 2018. 2. Auflage
- Peasants and the Art of Farming: A Chayanovian Manifesto. 2013. Open Source-Book hier
- The Sociology of Farming: Concepts and Methods. 2023. Routeledge
- Viele Artikel im „Journal of Peasant Studies“
Keynotes: Fragen und Antworten
Wie ist die agrarökologische Entwicklung in China einzuschätzen?
Jan Douwe van der Ploeg: In China ist eine vielfältige Realität zu finden. Einerseits gibt es dort 200 Millionen Produktionseinheiten und gleichzeitig gibt es dort sehr, sehr große Unternehmen (insbesondere im Nordosten von China), welche nach kapitalistischen Logiken funktionieren. Aber es gibt einen sehr starken Kampf um mehr Nachhaltigkeit und dieser findet auf zwei Ebenen statt: Einerseits auf der Ebene der bäuerlichen Haushalte, die auf eine sehr lange Tradition der Produktion für den Eigenbedarf aufbauen und zugleich für den Markt zu produzieren. Und diese Subsistenzproduktion erfolgt fast ausschließlich ohne Agrarchemie, welche eine große Bedeutung hat und das haben diese Haushalte auch auf die Produktion für die Märkte ausgeweitet, weil sie sehen, dass auch die breitere Bevölkerung eine Versorgung mit sauberen, gesunden und sicheren Nahrungsmitteln wünscht. Auf der anderen Ebene der Partei und des Staats gibt es eine laufende Debatte darüber, ob der europäische und US-amerikanische Weg der Vergrößerung der Betriebe in der Landwirtschaft, der Intensivierung durch die Nutzung von allen möglichen Inputs besser ist, oder ob nicht die Stärkung und Weiterentwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft vorangetrieben werden soll. Und diese Debatte ist in vollem Gange und es ist wichtig, dass diese Debatte nicht isoliert geführt werden sollte. Hier sollte auch La Via Campesina eine wichtigere Rolle spielen. Es war sehr wertvoll, mit Morgan Ody in Peking letztes Jahr auf einer großen Konferenz zu sprechen.
Morgan Ody: Die Welt verändert sich sehr schnell. Wir sollen dabei aber als Europäer*innen zuerst einmal einen Schritt zurücktreten und damit aufhören, den anderen Lektionen erteilen zu wollen. 500 Jahre Kolonisierung der Welt sollten uns dazu veranlassen, dass wir uns hier von unserem eurozentrischen Denken lösen.
Ist das Renaturierungsgesetz eine Chance für die Kleinbäuer*innen?
Morgan Ody: Die Absichten waren womöglich gut, aber es gab im Entstehungsprozess einige Fehler: Einer dieser Fehler war, dass kleinbäuerliche Organisationen nie in diesen Prozess wirklich eingebunden waren. In den letzten Monaten vor dem Beschluss kontaktierten uns sehr, sehr viele Umweltorganisationen und baten uns, dass wir uns zu Wort melden und dass wir dieses Gesetz unterstützen. Aber wir sagten: Warum habt ihr uns nicht kontaktiert, als dieses Gesetz gestaltet wurde? Es gibt gute Teile des Gesetzes, aber wir sind andererseits besorgt darüber, dass es Gebiete geben soll, in denen Landwirtschaft ausgeschlossen sein soll. Das betrifft etwa Gebiete, die von Hirt*innen genutzt werden. Es gibt Konflikte, in denen Landwirtschaft grundsätzlich ausgeschlossen sein soll. Das betrifft vor allem marginalisierte Gebiete. Ein weiterer Punkt ist die Bürokratie: Wir befürworten Umweltstandards, aber die damit verbundene Bürokratie muss auch zu den bäuerlichen Realitäten und Wirtschaftsweisen passen. Stundenlange Büroarbeit darf der guten Arbeit als Bäuer*innen nicht im Weg stehen. Und ein letztes Beispiel: Auf EU-Ebene gibt es einen großen Druck, dass Kohlenstoff-Offsetting ermöglicht wird, damit die Konzerne mit dem Verschmutzen weitermachen können. Auch wenn sie dafür ein bisschen Geld in ein privatisiertes System einzahlen würden, so bleibt doch das Problem, dass diese Methode letztlich nur dem Greenwashing dient und zugleich ist es ein Sektor, der sehr instabil ist, wie viele Beispiele bisher zeigen. Wir wollen stattdessen eine Anerkennung für unsere Arbeit, anstatt Konzernen zu ermöglichen, ihre schmutzige Arbeit fortzusetzen. Dies sind die Gründe, warum wir nicht allzusehr über das Renaturierungsgesetz begeistert sind.
Breite Themenpalette in fünf Workshops
Kurzberichte aus den Workshops zum Nachhören hier
Workshop 1: Vielfältige und kleinbäuerliche Kulturlandschaften: Arbeit, Tierhaltung und Naturschutz
Themenbeschreibung und Impulsgeber*innen: Ausgangspunkt ist die Schlüsselrolle von Kleinbäuer*innen und ihrer Arbeit sowie von Tieren für vielfältige Kulturlandschaften: Ohne diese würde es die heute bedrohte Vielfalt nicht geben. Zugleich werden aber in den Systemen der letzten Jahrzehnte Großbetriebe oftmals bevorzugt und das Höfesterben trifft meist jene kleinen Betriebe, die die Vielfalt in der Landschaft besonders erhalten und gestalten.
Angesichts von Klimakrise, niedrigen Einkommen, hoher Arbeitslast und einer oftmals stark unter Druck stehenden Tierhaltung und Verlust von kleinbäuerlichen Kulturlandschaften (Bodenversiegelung, Verwaltung, Höfesterben etc.) braucht es dringend Antworten für neue kleinbäuerliche Wege.
Welche Rolle kommt Kleinbäuer*innen in der Gestaltung und Entwicklung vielfältiger Kulturlandschaften der Zukunft zu? Welche Handlungsschritte, Strategien und Ansätze sind angesichts der aktuellen Lage notwendig? Welchen Beitrag leisten Nutztiere in kleinbäuerlichen Strukturen für Kulturlandschaft, Naturschutz und nicht zuletzt Ernährungssouveränität? Wie kann eine kleinbäuerliche und praxistaugliche Vision für die Kulturlandschaften der Zukunft im Sinne einer Ökologisierung der Landwirtschaft aussehen und wie können Einkommen und Existenzen für mehr statt weniger Höfen gesichert werden?
Mit
- Werner Zollitsch (Prof., Institut für Nutztierwissenschaft, BOKU Wien)
- Sepp Liebmann (Biosphärenhof Liebmann, Kleinbauer und Schafscherer und als Netzwerker und Wissensvermittler im Bereich Bodenschutz und ökosystemischer Klimawandelanpassung aktiv)
- Franz Steinegger (Bürgermeister, Landschaftspflegefonds Grundlsee)
- Lisa Rienesl (ÖBV-Via Campesina Austria, Moderation)
Kurzbericht zu zentralen Diskussionspunkten: Im Workshop nahmen 25 Personen teil, die vielfältige Erfahrungen und Hintergründe mitbrachten.
Nutztierhaltung ist ein essentieller Bestandteil von kleinbäuerlicher Landwirtschaft und sie erfüllt sehr wichtige Funktionen: Ernährungssouveränität, Schutz, Pflege und Erhalt der Ökosystemdienstleistungen, sowie auch der Erhalt der Kulturlandschaft.
Kleinbäuer*innen brauchen eine stärkere Stimme und mehr Sichtbarkeit in Politik und Gesellschaft. Kleinbäuerliche Organisationen – wie die ÖBV – müssen auch konkret eingebunden werden in der Erarbeitung und der Umsetzung von politischen Maßnahmen und Gesetzen. Ein Beispiel dafür ist der Wiederherstellungsplan des Renaturierungsgesetzes.
Zentral ist auch, dass die vielfältigen Leistungen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft auch finanziell entgolten werden. Besonders wichtig sind dabei auch die Umweltleistungen, um darüber auch den Kleinbäuer*innen eine Zukunftsperspektive zu bieten.
Workshop 2: Bauernproteste und Kleinbäuer*innen im 21. Jahrhundert (EN/DE)
Themenbeschreibung des Workshops und Impulsgeber*innen: In den letzten Jahren haben weltweit Bauernproteste massiv zugenommen. In den Niederlanden waren dabei in diesen Protesten die Perspektiven von Kleinbäuer*innen oftmals nur am Rande sichtbar. Was lässt sich aus der „Stickstoffkrise“ in den Niederlanden lernen? Was können wir aus den bisherigen Protesten lernen? Offenkundig war dabei immer wieder, dass in den Protesten immer nur einzelne Aspekte und Symptome einer umfassenden Krise angesprochen wurden. Wie können kleinbäuerliche Wege aus dieser Krise aussehen? Wie können wir die Ursachen der Krisen angehen?
Die ÖBV setzt sich seit 50 Jahren für „kleinbäuerliche Wege“ ein, La Via Campesina seit über 30 Jahren. Wofür stehen Kleinbäuer*innen im 21. Jahrhundert? Was macht ihre Bedeutung aus und was folgt daraus für kleinbäuerliche Strategien? Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Bauernaufstände in Europa wollen wir in diesem Workshop diesen Fragen nachgehen.
Mit
- Jan Douwe van der Ploeg (em. Prof. für Agrarsoziologie an der Universität Wageningen, lehrt am College of Humanities and Development Studies der Chinesischen Agraruniversität in Peking)
- Morgan Ody (Generalsekretärin, La Via Campesina)
- Franziskus Forster (ÖBV-Via Campesina Austria, Moderation)
Kurzbericht aus dem Workshop: Im vergangenen Jahr gab es eine große Welle an Bauernprotesten, die in einen umfassenderen historischen Rahmen eingeordnet werden müssen. Vor 500 Jahren begannen die Bauernkriege, die vor allem von von unterdrückten Bauern und Bäuerinnen ausgingen. Es ist kein Zufall, dass in dieser Zeit auch das koloniale Projekt am Anfang stand. Von diesen Aufständen zieht sich bis heute eine Geschichte des Kampfes um bäuerliche Rechte und um Freiheit und Gleichheit. Wird diese Geschichte ausgeblendet, so gehen diese entscheidenden Ansprüche und Forderungen verloren. Was diese Forderungen heute bedeuten, hat Morgan Ody in ihrer Keynote ausgeführt.
Die Analyse der Proteste im letzten Jahr hat gezeigt, dass viele Proteste sehr stark von der Agrarindustrie und von Rechts vereinnahmt wurden und auf dem falschen Versprechen aufbauen, „Weiter wie bisher“ machen zu können. Demgegenüber treten kleinbäuerliche Bewegungen für einen grundlegenden Wandel in Richtung Ernährungssouveränität und Agrarökologie ein, sowie für mehr bäuerliche Rechte. Es müssen die Ursachen der bisherigen Entwicklungen angegangen werden und es müssen zukunftsfähige Lösungen entwickelt werden, anstatt Bäuer*innen einzig als Sündenböcke hinzustellen.
Aus den Niederlanden lässt sich lernen, dass es bereits viele Alternativen gibt, die von Kleinbäuer*innen über Jahrzehnte aufgebaut worden sind. Ein Beispiel sind hierbei territoriale Kooperativen, bei denen die Einkommen verbessert werden können, wo selbstbestimmte Gestaltung aus den Regionen heraus möglich wird. In den Bauernprotesten geht es nun auch darum, diese kleinbäuerlichen Alternativen im Kampf um einen grundlegenden Wandel sichtbar zu machen und zu stärken.
Darüber hinaus ist es deshalb auch so wichtig, das kleinbäuerliche Selbstverständnis zu stärken und diese Frage gemeinsam zu bearbeiten: Was heißt es, Kleinbäuer*in zu sein? Es geht dann darum, sich auf dieser Basis und in Bezug auf diese Werte zusammenzuschließen und zu organisieren und sichtbar zu werden.
- 500 Jahre Geschichte des bäuerlichen Widerstands: „Pflügen, ackern, kämpfen: Die Geschichte der Bauern“ (4 Teile), ARTE-Doku – hier. Sehr empfehlenswert!
- van der Ploeg: Rechte Bauernproteste in den Niederlanden: „Die Protestwelle ist kein unerwarteter Ausbruch“. Übersetzung von Franziskus Forster für die „Bäuerliche Zukunft“, hier mit einer aktualisierten Anmerkung von Jan Douwe van der Ploeg
Workshop 3: Kleinbäuerlich & feministisch – Gemeinsam in eine fairsorgende Zukunft
Themenbeschreibung und Impulsgeber*innen: Warum braucht es/brauche ich kleinbäuerliche Feminismen? Wie können wir eine gemeinsame Vision für eine fairsorgende Zukunft entwickeln? Die Herausforderungen in Bezug auf diverse Krisen (Natur, Klima, Artensterben, Höfesterben, Care, …) und im Zusammenhang mit traditionellen Geschlechterrollen in der Landwirtschaft, am Land, die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit und Care-Arbeit, auch in kleinbäuerlicher Landwirtschaft, begleiten uns im Frauenarbeitskreis der ÖBV von Anfang an. Der eigenen Meinung eine Stimme geben, sich frei und authentisch auszudrücken, die Bedeutung von kollektiver Befreiung und das gemeinsame Arbeiten an Veränderung anzuerkennen, solidarisch in landwirtschaftlichen Kontexten zusammenzuarbeiten – das erleben wir als motivierende Schritte auf dem Weg zu Gleichstellung und Transformation zu einem Guten Leben für Alle. Wichtig ist uns die Bedeutung praktischer Anwendungen von Feminismen im täglichen Leben, insbesondere im landwirtschaftlichen Kontext. Unsere Erfahrungen und Erlebnisse in der Landwirtschaft und am Land sehen wir als zentrale Grundlage für feministische Diskurse und Handlungen. Im Austausch unserer individuellen Erfahrungen und Sehnsüchte bestärken wir einander, Wege in eine fairsorgende Zukunft zu gehen.
Mit:
- Lisa Hofer-Falkinger und Maria Vogt (Frauenarbeitskreis der ÖBV-Via Campesina Austria)
- Birgit Hofstätter (Frauen*forum Salzkammergut)
Kurzbericht aus dem Workshop: An diesem Workshop nahmen 18 Menschen teil, davon 1 Mann. Es ist wichtig, den Feminismus, den wir meinen, genauer zu bestimmen. Daran wurde im Workshop gearbeitet. Dabei war wichtig festzuhalten, dass hier um etwas geht, das nicht nur die Angelegenheit der Frauen ist, sondern Feminismus heißt, dass es um die Befreiung von allen Menschen und allen Geschlechtern geht und damit geht es auch um die Anliegen aller.
Ausgehend von den persönlichen Situationen der Teilnehmenden wurde festgestellt, dass kleinbäuerliche Landwirtschaft und Feminismus für die Basis des Lebens sorgt. Es geht darum, dass die Menschen geboren werden, dass die Menschen etwas zu essen haben, dass sie gepflegt werden, dass der Boden gepflegt wird, dass die Tiere gepflegt werden, dass ich zukunftsorientiert arbeite und vieles mehr. Besonders sichtbar wurde die zentrale Rolle, die Frauen in der Landwirtschaft spielen – häufig unsichtbar, aber essenziell für das Funktionieren des gesamten Systems. Aus der Analyse heraus wurde mit dem doppelten Eisbergmodell und mit dem Bäuer*innenmanifest der ÖBV gearbeitet. Dabei geht es darum, dass die Klimakrise und die Krise der Sorgearbeit zusammen betrachtet werden sollen. Wenn man auf die Ursachen schaut, dann erkennt man, dass es hier sehr enge Zusammenhänge gibt. Das Patriarchat und diese Unterdrückungssysteme verhindern, dass diese kleinbäuerliche Landwirtschaft mehr werden kann. Es wurde klar, dass es nicht nur um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen geht, sondern auch um eine tiefgreifende Veränderung in der Wahrnehmung und Wertschätzung der landwirtschaftlichen Arbeit. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft bietet nicht nur Lösungen für Klimaschutz und Ernährungssouveränität, sondern auch einen Raum für eine feministische Vision eines guten Lebens für alle.
Es braucht emanzipatorische Bildungsarbeit und auch ein anderes Verständnis von Wirtschaftlichkeit und von Rollenbildern. Es braucht Alternativen und neue Ansätze, die dann darauf aufbauend gemeinsam gesucht, gestaltet und umgesetzt werden können. Dabei wurde auch die Bedeutung von Solidarität und Zusammenarbeit betont, um den strukturellen Herausforderungen, wie der Care-Krise und der Klimakrise, zu begegnen. Die Impulse aus diesem Workshop machten deutlich: Veränderung ist möglich – und sie beginnt bei uns. Es ist an der Zeit, gemeinsam für eine nachhaltige, gerechte und fürsorgliche Zukunft zu kämpfen, in der die Bedürfnisse der Bäuer*innen, der Erde und der Gesellschaft gleichwertig respektiert und gefördert werden.
Workshop 4: Wem gehören Wald und Weide? Von Gemeinschaftsalmen und Einforstungsrechten.
Themenbeschreibung und Impulsgeber*innen: Die gemeinschaftlich genutzten Almflächen im Salzkammergut gehören nicht den Bäuer*innen, die sie bewirtschaften. Stattdessen gehören sie der Republik Österreich und werden von den Bundesforsten verwaltet. Wie kam es dazu und was hat das mit der Salzgewinnung zu tun? Warum haben manche Höfe Nutzungsrechte (sog. „Einforstungsrechte“) an den Bergen des Salzkammerguts und andere nicht? Welche aktuellen Konflikte gibt es zwischen Landbesitzer*innen und Almbäuer*innen? Welche Auswirkung haben diese Konflikte auf die Zukunft der kleinbäuerlichen Almwirtschaft und Allmenden (Commons)?
Lisa Francesca Rail findet Antworten in einem knapp 100 Jahre alten Geschichtsbuch: „Der Kampf um Wald und Weide“ von Otto Bauer, das sie im Oktober 2024 im Mandelbaumverlag neu herausgibt. Franz Köberl schlägt als Weideberechtigter und als Obmann der Einforstungsgenossenschaft Bad Aussee die Brücke zur Gegenwart und Praxis. Der Workshop bietet den Teilnehmenden neben Inputs und Diskussion die Möglichkeit, alte Nutzungsrechtsurkunden aus dem 19. Jahrhundert selbst zu lesen und zu analysieren.
Mit
- Lisa Francesca Rail (Kultur- und Sozialanthropologin, Universität Wien & Herausgeberin der Neuauflage „Im Kampf um Wald und Weide“)
- Franz Köberl und Franz Höller (beide Weideberechtigte und in der Einforstungsgenossenschaft Bad Aussee)
Dieser Workshop war sehr konkret und salzkammergutspezifisch ausgerichtet. Es war ein kleiner, aber sehr anschaulicher Workshop. Nicht nur Franz Köberl und Franz Höller verfügen als Weideberechtigte selbst über Einforstungsrechte, sie sind „Eingeforstete“, sondern auch einige Teilnehmer*innen des Workshops waren betroffen, entweder als Forschende, oder auch darüber, dass sie selbst oder in der Verwandschaft Einforstungsrechte haben.
Die größten Fragen, die aufgekommen sind: Bei der Landwirtschaft geht es immer auch um die Frage, wem das Land gehört und wer welchen Zugang zu Land hat. Welche Rechtsformen gibt es dabei und wie können diese der Landwirtschaft im Wege stehen oder aber dieser zuträglich sein? Im Salzkammergut gehören die Wälder den Bundesforsten, aber die Bäuer*innen haben darauf Nutzungsrechte. Der Vorteil der bäuerlichen Nutzung hier im Salzkammergut ist, dass es die bäuerliche Landwirtschaft sehr einzigartig schafft, eine multifunktionale und komplexe Kulturlandschaft zu erhalten und zu pflegen, in der verschiedene Interessen gewahrt werden, nämlich Wald und Weide, Biodiversität und Jagd, Naturschutz und Schutz vor Naturgefahren etc. Hier laufen in der bäuerlichen Landwirtschaft auch viele Funktionen zusammen und können über eine entsprechende Landschaftspflege auch geleistet werden.
Probleme, die es gibt: Einerseits geht es hier um Problemlagen, die mit bestimmten Rechtsformen einhergehen können, vor allem dann, wenn sie unbekannter sind als Einforstungsrechte. Hier ist ein Problem, dass es dann Nutzungsberechtigte gibt, die oftmals dann in Rechtssprechungen vergessen werden, etwa in Naturschutzfragen. Oftmals sind Bäuer*innen nicht gegen Naturschutz, werden aber oft von den Folgen überrumpelt oder nicht in den Prozess zur Ausgestaltung des Naturschutzes miteinbezogen. Das führt dann zu dem Gefühl, keinen Einfluss zu haben und es ist damit auch keine Sicherheit verbunden, wie bestimmte Regeln dann ausgestaltet werden. Dabei gab es zum Beispiel die Überlegung, dass es so etwas wie einen Vertragsnaturschutz bräuchte, auf den sich Bäuer*innen dann auch langfristig verlassen können und dass ihre Nutzungen dadurch nicht verhindert werden. Andererseits ging es aber auch um andere Probleme von Eigentumsformen, die nicht klassisch privatrechtlich sind. Wenn zum Beispiel andere mächtige Akteur*innen – wie im Fall vom Salzkammergut etwa die Bundesforste – etwa gegensätzliche Interessen zu jenen der Bauern und Bäuerinnen haben können.
Und schließlich: Was bräuchte es, um die Lage zu verbessern? Es braucht die Einbeziehung von Bäuer*innen und ihrer Organisationen in verschiedene politische Prozesse, etwa in Fragen des Naturschutzes. So muss zum Beispiel die Interessensvertretung von den Eingeforsteten (Einforstungsverband) konsultiert werden, wenn Gesetze im Naturschutz beschlossen werden. Zweitens ist aber auch Aufklärungsarbeit sehr wichtig: Eigentlich bräuchte es ein breiteres Wissen über die Lage von Bäuer*innen in der breiten Gesellschaft. Doch die Arbeit, die es für diese Aufklärungsarbeit braucht, um dieses Wissen zu schaffen und zu erhalten bleibt dann aber oft an den Bäuer*innen selbst hängen, obwohl sie ohnehin genug zu tun haben. Das heißt die Frage ist: Wie kommt man dahin, dass besser über die Lage von Bäuer*innenaufgeklärt wird.
Buch: Otto Bauer: „Im Kampf um Wald und Weide“. Neuauflage 2024. Mandelbaum Verlag
Workshop 5: Lebendige Almwirtschaft
Themenbeschreibung und Impulsgeber*innen: Die Almwirtschaft leistet in Österreich einen wichtigen Beitrag zur kleinstrukturierten Landwirtschaft, zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion und Landschaftspflege. Dennoch steht sie aktuell vor vielen Herausforderungen. In diesem Workshop wollen wir Fragen zur Zukunft der Almwirtschaft nachgehen. Wir suchen kreative Wege, um mit aktuellen Herausforderungen umzugehen. Dabei wollen wir auch einen speziellen Blick auf die Arbeit von Hirt*innen und Senner*innen werfen und ihren Beruf zukunftsfähig denken. Als Einstieg ins Thema erwarten uns kurze Inputs vom Verein Alpinus (AT), der Bergsolawi Surselva (CH) und dem Netzwerk für Hirt*innen und Senner*innen (AT). Der Workshop ist offen für alle, die sich für die Almwirtschaft interessieren und über innovative Ideen dazu diskutieren wollen.
Mit
- Simon Wöckl (Verein Alpinus)
- Bergsolawi Surselva (Schweiz)
- Hirt*innengruppe der ÖBV-Via Campesina Austria
Dieser Workshop war sehr lebendig gestaltet. Die Almwirtschaft steht aktuell vor vielen Herausforderungen. Zum Beispiel geht es um die Frage, wie Einkommen aus der Almwirtschaft erwirtschaftet werden können. Oder wie das Personal auf den Almen gut bezahlt werden kann. Es gibt zu wenig Almtiere, generell werden die Almen zu wenig bestoßen und der Klimawandel ist stark zu spüren. Außerdem gibt es ein fehlendes Berufsbild von Hirt*innen und Senn*innen und natürlich stellen auch Herdenschutz und WolfHerausforderungen dar und sind zentrale Themen für eine lebendige Almwirtschaft.
Im Workshop gab es Inputs vom Verein Alpinus und von der Bergsolawi Surselva. Beide Beispiele zeigen, wie auf völlig neue Weise Almen bewirtschaftet und neue Wege gestaltet werden können. In Kleingruppen wurde dann kreativ weitergearbeitet. In der ersten Gruppe „Widergstanzl“ wurde ein Lied geschrieben, das einen Alltag im Verlauf eines Almsommers musikalisch darstellt. Eine zweite Gruppe hat sich mit dem Thema Alm utopisch auf zeichnerische Weise beschäftigt und die Ergebnisse dann präsentiert. Die dritte Gruppe hat Postkarten an das „Kasermandl“ – einer Sagenfigur von den Almen – geschrieben und dabei Forderungen an die Politik gestellt.
Drei zentrale Punkte:
Die Almwirtschaft ist sehr vielfältig. Es braucht eine Gemeinschaft mit sehr vielen Kompetenzen (Produktion, Behirtung, Vermarktung, Verarbeitung, etc.). Dazu gehört auch sehr viel Kreativität. Es ist eine Möglichkeit, die Verantwortung und die Risiken auf vielen Schultern zu tragen, aber wo auch der Output geteilt werden kann.
Zweitens braucht es Bildung für das Almpersonal, um einen Wissensaustausch unter jenen zu ermöglichen, die auf Almen arbeiten. Ebenso braucht es aber auch die Möglichkeit für interessierte Menschen, dass sie auf die Almen kommen können und den Almberuf besser kennen und verstehen lernen können. Dabei soll vermittelt werden, was es heißt, auf Almen zu arbeiten.
Drittens braucht es unbedingt öffentliche Gelder, um diese wertvolle Arbeit zu ermöglichen und fair zu bezahlen. Dabei geht es auch um die Anerkennung der Multifunktionalität der Almwirtschaft. Es werden sehr hochwertige Produkte produziert, deren Produktion auch bezahlt werden muss.
Markt der Initiativen
Am Nachmittag stellten sich verschiedenste landwirtschaftliche Initiativen vor, bei denen die Teilnehmenden in regen Austausch mit vielen spannenden Initiativen kommen konnten. (Nähere Infos unten)
- Alliance for Food Sovereignty in Africa (AFSA) – Jugendplattform
- Bergwiesn-Verein Molln: Kulturlanderhaltungsverein Steyrtal
- Ennstaler Wiesenverein – Verein für Kulturlandschaftserhalt
- Landschaftspflegefonds
- Dorfgenossenschaft Ums Egg eG
- Appetit auf Gutes
- Munus-Stiftung – Boden für gutes Leben
- Perspektive Landwirtschaft
- ÖBV-Via Campesina Austria
- Marktgärtnerei – Gemüse als Einstieg in die Landwirtschaft
- Food Coop Gmunden
- Honorierung von bäuerlichen Ökosystemleistungen
- Posterausstellung „Farming for Future“
- Alianza – Österreich – Argentinien – Gemeinsam für eine zukunftsfähige Landwirtschaft
Markt der Initiativen
- Alliance for Food Sovereignty in Africa (AFSA) – Jugendplattform
Die Jugendplattform der Allianz für Ernährungssouveränität in Afrika (AFSA) engagiert junge Afrikaner*innen in den Bereichen Agrarökologie, Saatgutsouveränität, Landgerechtigkeit und Klimaschutz. Ziel ist es, sie als treibende Kräfte für nachhaltige Reformen im Ernährungssystem und in der Politik zu positionieren. Vom 14. bis 16. Oktober 2024 fand der „1000africanyouthsummit“ statt, organisiert von AFSA. Hier wurden innovative Lösungen für die Herausforderungen afrikanischer Ernährungssysteme entwickelt, mit Fokus auf nachhaltige landwirtschaftliche Produktion und Agrarökologie. Der Gipfel, als „Gipfel der Lösungen“ konzipiert, suchte nach konkreten Ideen und umsetzbaren Plänen, um wirkliche Veränderungen herbeizuführen und über bloße Diskussionen hinauszugehen.
Weitere Infos zu Herausforderungen von Jugendlichen von der Agroecology Coalition „Agroecology and Youth“
Addis Declaration Oktober 2024: First Thousand Youth Summit on Food Systems and Agroecology
- Bergwiesn-Verein Molln: Kulturlanderhaltungsverein Steyrtal
Der Verein wurde gegründet, um in der Region Nationalpark Kalkalpen den immensen Rückgang extensiv genutzter Kulturlandschaft aufzuhalten und modellhaft zu zeigen, wie extensive Bewirtschaftung wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll durchgeführt werden kann. Die Ziele und Mission des Bergwiesn Vereins liegen in der Organisation, Koordination und Durchführung von Projekten zur langfristigen Offenhaltung und Wiederherstellung wertvoller extensiver Kulturlandschaften, insbesondere durch extensive Bewirtschaftung mittels Mahd und Beweidung im Steilhangbereich der OÖ Kalkalpen.
- Ennstaler Wiesenverein – Verein für Kulturlandschaftserhalt
Der Ennstaler Wiesenverein bietet eine wichtige Lösung zur Erhaltung und Förderung der regionalen Kulturlandschaft und Biodiversität. Mit seiner Expertise und dem Engagement seiner Mitglieder stellt der Verein sicher, dass wertvolle Naturlandschaften nachhaltig gepflegt und geschützt werden. Die Mitglieder des Vereins bewirtschaften selbstständig zahlreiche Wiesen und Weiden, welche von der Bewirtschaftungsaufgabe bedroht sind. Mit einem Großteil dieser Flächen wird an verschiedenen Naturschutz Programmen teilgenommen. Andererseits werden vom Verein gemeinschaftlich auch Dienstleistungsaufträge zur Pflege von Naturschutzflächen übernommen. Der Verein plant, seine Aktivitäten weiter auszudehnen. Dazu gehört das Angebot, zusätzliche Ökoflächen und Mäh- und Weideflächen zu bewirtschaften. Der Fokus liegt dabei auf der Förderung der Biodiversität und der Erhaltung der Grünflächen, wobei stets eine kostendeckende Arbeitsweise angestrebt wird. Dies trägt zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bei und unterstützt die regionalen Naturschutzbemühungen und sichert auch eine ökonomisch nachhaltige Bewirtschaftung dieser bedrohten Kulturlandschaft. Weiters ermöglicht der Verein seinen Mitgliedern durch Bereitstellung von Spezialtechnik ein Sprungbrett für einen Einstieg in die Landwirtschaft oder Etablierung eines Betriebszweiges.
Der Verein wurde gegründet, um in der Region Nationalpark Kalkalpen den immensen Rückgang extensiv genutzter Kulturlandschaft aufzuhalten und modellhaft zu zeigen, wie extensive Bewirtschaftung wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll durchgeführt werden kann. Die Ziele und Mission des Bergwiesn Vereins liegen in der Organisation, Koordination und Durchführung von Projekten zur langfristigen Offenhaltung und Wiederherstellung wertvoller extensiver Kulturlandschaften, insbesondere durch extensive Bewirtschaftung mittels Mahd und Beweidung im Steilhangbereich der OÖ Kalkalpen.
Grundlseer Kleinst- und Bergbauernhöfe sind vom Untergang bedroht. Höfe können nicht mehr vernünftig geführt werden, brauchen viel Geld, Zeit und Engagement und können dadurch oft nicht mehr im Nebenerwerb geführt und übergeben werden. Der Landschaftspflegefonds sucht Menschen, Institutionen und Freunde, welche durch eine Spende, Patenschaft oder Mitgliedschaft den Erhalt der Kultur der Grundlseer Kleinstbauern und damit die Landschaftspflege, die Almwirtschaft, die Traditionen, das Kulturerbe, den Erhalt und die Biodiversität der Wiesen und Felder sichern wollen und den Verlust all dessen verhindern möchten. “Wir möchten die noch verbleibenden Bauern in unserer Gemeinde finanziell unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Erbhöfe weiter zu betreuen und mit gutem Gewissen an eine nächste Generation zu übergeben.
- Dorfgenossenschaft Ums Egg eG
2018 wurde der erste genossenschaftliche Selbstbedienungssupermarkt in Österreich entwickelt, um wieder Nahversorgung im Ortskern von Losenstein zu gewährleisten. Die notwendigen Mittel wurden als Duale Genossenschaft von Lieferanten und Kund*innen aufgebracht, um unabhängig von Supermarktketten selbstbestimmt das Sortiment auf möglichst regional und direkt bezogene Lebensmittel aufzubauen. Die Mission ist, die regionale Lebensmittelversorgung in unterversorgten Gemeinden und Stadtvierteln wiederbeleben, indem Leerstände genutzt und ein alternatives Versorgungssystem aufgebaut wird. Mittlerweile gibt es vier Standorte, weitere sollen als dezentrale Netzwerke folgen. Diese fördern regionale Produzent*innen, insbesondere kleinstrukturierte Betriebe, und bieten ihnen Absatzmöglichkeiten. Zusätzlich berät die Genossenschaft Gemeinden und Gemeinschaften dabei, eigene alternative Nahversorgungslösungen zu entwickeln.
Das Projekt Appetit auf Gutes unterstützt und fördert Konsument*innen, Produzent*innen sowie Gemeinden bei der Gründung lokaler Initiativen für eine biologische, regionale und saisonale Lebensmittelversorgung. Für die Region bedeuten diese Initiativen eine höhere Wertschöpfung und Stärkung lokaler Versorgungsnetzwerke. Die Produzent*innen erhalten durch die direkte Beziehung zu ihren Konsument*innen Wertschätzung für ihre Arbeit und ihre Biolebensmittel und werden bei ihrer Direktvermarktung unterstützt. Die Konsument*innen bekommen Zugang zu hochwertigen biologischen Produkten und Transparenz über die Herstellung ihrer Lebensmittel. Ziel dieser neuen Modelle ist es, durch das eigene Handeln ein ökologisches, regionales, sozialverträgliches und vor allem selbstbestimmtes Agrarsystem zu etablieren – also kurz gesagt Ernährungssouveränität!
- Munus-Stiftung – Boden für gutes Leben
Die Munus Stiftung entstand durch den Wunsch einer Gruppe von Menschen, kollektive Investitionen als Gemeingut abzusichern sowie zweier Menschen Land zu stiften. Ziel war es, Eigentum endgültig und personenunabhängig für gemeinnützige Zwecke zu sichern: Für den Schutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und für den Zugang aller Menschen zu den Mitteln eines guten Lebens. Denn beides ist bedroht. Der Erdboden, die Sonne, das Wasser und die Luft sind Grundlage und Gemeingut allen Lebens. Achtsamer und nachhaltiger Umgang damit ist grundlegende Aufgabe der Menschheit. Diese Aufgabe kann nur in sorgsamem Miteinander der Menschen und solidarischer und kooperativer Lebensweise erfüllt werden. Das ist die Voraussetzung eines guten Lebens für alle. Wir verstehen die Stiftung als Werkzeug, um gemeinnützige Projekte zu fördern und dauerhaft und unumkehrbare materielle und finanzielle Mittel als Gemeinschaftseigentum zu sichern. Dieses Eigentum wie auch die Einnahmen daraus werden zweckgewidmet, um ökologische, solidarische und emanzipatorische Initiativen in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Seit 1951 hat Österreich mehr als 60 % seiner landwirtschaftlichen Betriebe verloren, was gravierende Auswirkungen auf die Kulturlandschaft, Biodiversität und Versorgungssicherheit hat. Um den Herausforderungen wie Klimaschutz, regionaler Wertschöpfung und dem Erhalt der Agrarstruktur zu begegnen, sind mehr bäuerliche Betriebe notwendig – insbesondere solche, die sozial- und umweltverträglich wirtschaften. Der demografische und gesellschaftliche Wandel hat dazu geführt, dass immer weniger junge Menschen landwirtschaftliche Betriebe übernehmen. Dies erschwert die Hofnachfolge, die nach wie vor ein Tabuthema ist. Unser Verein setzt sich für neue Möglichkeiten des Generationswechsels in der Landwirtschaft ein und fördert außerfamiliäre Hofnachfolgen als Chance für beide Generationen. Wir bieten eine Plattform mit Informationen zur Hofnachfolge sowie einen Selbst-Check, um Übergebenden und Hofsuchenden bei ihrer Entscheidung zu helfen. Zudem schaffen wir durch Bildungsveranstaltungen und eine digitale „Perspektiven-Suche“ Raum für Begegnungen und die Vernetzung von Menschen, die in der Landwirtschaft eine Zukunft sehen. Der Erhalt kleinstrukturierter Betriebe sichert die Vitalität ländlicher Regionen und fördert Vielfalt. Jeder Hof zählt!
- Marktgärtnerei – Gemüse als Einstieg in die Landwirtschaft
Marktgärtnereien sind eine aufstrebende Form der kleinstrukturierten Landwirtschaft, die sich auch in Österreich immer stärker etabliert. Auf kleinsten Flächen – typischerweise zwischen 1000 m² und 1 ha – wird mit speziellen Handwerkzeugen effizient und nachhaltig gearbeitet. Das Ziel ist, konsument*innennahe frisches, saisonales und vielfältiges Gemüse nach den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft zu produzieren. Marktgärtnereien setzen auf biointensiven Gemüsebau, der natürliche Bodenfruchtbarkeit erhält und steigert. Diese Methode ist nicht nur ressourcenschonend, sondern auch ein zukunftsweisender Ansatz, der leicht multiplizierbar ist. Mit geringem Flächenbedarf und niedrigen Einstiegskosten bieten Marktgärtnereien einen einfachen Weg in die Landwirtschaft, stärken die regionale Wirtschaft und sichern die lokale Lebensmittelversorgung.
Immer mehr Konsument*innen wünschen sich eine große Vielfalt an regional produzierten Lebensmitteln, die der Saison entsprechen. Viele legen zudem Wert auf eine direkte Beziehung zu den Produzent*innen, damit diese faire Preise für ihre Arbeit erhalten. Eine FoodCoop bietet genau diese Möglichkeit des Lebensmitteleinkaufs. 2017 wurde die FoodCoop Gmunden gegründet, um Menschen im Raum Gmunden eine Alternative zum Supermarkt zu bieten. Als Verein organisiert, können und sollen sich alle Mitglieder aktiv einbringen und mitgestalten. Die FoodCoop ermöglicht den direkten, unkomplizierten Einkauf bei regionalen Hersteller*innen. Besonderer Wert wird auf die Stärkung des Bewusstseins für lokale Produktion, die Vielfalt saisonaler Lebensmittel und den Wert von Lebensmitteln gelegt. Durch die Lieferung ausschließlich bestellter Waren und umweltfreundliche Verpackungen werden sowohl Lebensmittelabfälle als auch Verpackungsmüll minimiert. Zudem wird eine breite Auswahl an Bio-Produkten angeboten, um den Zugang zu gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln zu fördern.
Seit Jahren beobachten wir und unsere argentinische Partnerorganisation INCUPO, wie bäuerliche Familienbetriebe durch das aktuelle Agrarsystem auf beiden Seiten des Atlantiks unter Druck stehen. Welthaus ist überzeugt davon, dass globale Probleme globale Lösungen brauchen und hat sich deshalb mit INCUPO zusammengeschlossen und ein einzigartiges und neuartiges Austauschprojekt auf die Beine gestellt: „Alianza Österreich-Argentinien – Gemeinsam für eine zukunftsfähige Landwirtschaft“. Ziel des Alianza-Projekts ist es, globale Zusammenhänge und Abhängigkeiten aufzuzeigen, einen Erfahrungsaustausch zwischen Bauern und Bäuerinnen aus Österreich und Argentinien zu ermöglichen und gegenüber der Politik Rahmenbedingungen für eine nachhaltige tierische Produktion einzufordern.
Buchvorstellung mit Diskussion: Farming for Future: Leben und Arbeiten in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft
Nähere Informationen zum Buch und zur Wanderausstellung zum Buch: hier
»Du musst durch das, was du machst, zufrieden werden. Weil reich wirst du sicher nicht davon«
Farming for Future – was heißt das in der Praxis? In diesem Buch kommen Bauern und Bäuerinnen von sieben kleinbäuerlichen Betrieben zu Wort. Sie erzählen vom Tätigsein in den nicht immer voraussehbaren Kreisläufen der Natur und der EU-Agrarpolitik, vom Geld und von den Schulden, vom Zusammenhalt der Generationen und ihren Konflikten. In sieben Gesprächen geht es um die Klimakrise, steigende Immobilienpreise und das Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit, aber auch um Solidarität, Sorgearbeit und das gute Gefühl, etwas für die Zukunft der Welt zu tun. Die Publikation erscheint anlässlich »Ein Tag am Bauernhof – Gemeinsam erleben und miteinander reden«, ein Projekt der ÖBV – Via Campesina Austria im Rahmen von Bad Ischl Salzkammergut Kulturhauptstadt Europas 2024
Impulse zum Einstieg von:
- Lisa Bolyos (Autorin des Buches)
- Michaela Jancsy (Bio-Bäuerin Solawi “Almgrün”)
- Christine Pichler-Brix (Bio-Bäuerin Berg Simon Hof)
- Alexandra Strickner (Moderation)
Bäuerinnenkabarett: Die Miststücke
Humorvoll, authentisch. Die fünf Akteurinnen bringen die eigene Betroffenheit als Bäuerinnen am Hof, in Familie, Dorf und Land seit 1999 auf die Bühne. Spielerisch zeigen sie, wie sich Agrarpolitik und neoliberale Entwicklungen in Feld, Stall und Milchkammer auswirken. Die “Miststücke” rücken das Bild über Landwirtschaft und Bäuerinnen zurecht, sie halten humorvoll einen Spiegel vor und brechen verhärtete Strukturen auf.
Die Szenen spiegeln den Alltag wider. Zudem erhellen sie aktuelle landwirtschaftliche Herausforderungen und enthüllen das Macht-Ohnmacht-Gefälle in den Beziehungen von Mann-Frau, Generationen und der Politik.
Diese komplexen und oft widersprüchlichen Themen als Bäuerinnen lustvoll und pointiert aufzuarbeiten und damit aufzutreten, sehen sie selbst als emanzipatorische Bildungsarbeit. Mit ihrem Kabarett reisen sie durch Österreich und in deutschsprachige Nachbarländer. Und überall, wo sie auftreten, hinterlassen sie ein “Häuferl Dung”, das inspirierend wirkt – in Almhütte, Schule, Pfarrheim, Bildungshaus, selbst im Ministerium und in einer Kirche haben sie schon gespielt.
Im November 2017 wurden “Die Miststücke” mit dem Anerkennungspreis der “Tassilo Tröscher Stiftung – Für die Menschen im ländlichen Raum” ausgezeichnet. Die Jury zeichnet das Bäuerinnenkabarett dafür aus, “dass es kritisch auch heikle Themen aufgreift und damit eine beispielhafte Multiplikatorwirkung für die Landwirtschaft erzielt.”
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