Skip to content
Neue Gentechnik: Klare Regulierung für bäuerliche Zukunft unumgänglich! published on

Neue Gentechnik: Klare Regulierung für bäuerliche Zukunft unumgänglich!

Faktenbasierte Debatte zu Konzerndominanz, leeren Versprechen und Risiken am Rücken der Landwirtschaft notwendig

Für die ÖBV-Via Campesina Austria ist klar: Die Neue Gentechnik muss gemäß EU-Gentechnikrecht reguliert werden. Das hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil von 2018 bestätigt. Nur das ist die Basis dafür, Wahlfreiheit zu gewährleisten und die Produkte entsprechend zu prüfen und zu kennzeichnen. [1] Der große und wachsende gentechnikfreie Sektor muss geschützt sein, damit weiter auf bewährte Lösungen gesetzt werden kann. „Es braucht eine unabhängige Risikobewertung, Zulassung und Kennzeichnung im Sinne von Bauern und Bäuerinnen, Konsument*innen, sowie Tieren und Umwelt. Das Vorsorgeprinzip ist zentral und aus gutem Grund anzuwenden. Eine Regulierung ist die Voraussetzung für einen faktenbasierten Dialog. Eine Abkehr davon wäre unter den gegebenen Bedingungen ein Freibrief für die Industrie.“ so Franziskus Forster von der ÖBV-Via Campesina Austria. [2]

Eine breite, transparente und informierte Debatte ist notwendig. Die ÖBV hat gemeinsam mit der IG Saatgut und Global 2000 in einer Studie untersucht, welche Produkte derzeit in der Entwicklungspipeline sind.[3] Die Studie zeigt ernüchternde Fakten auf: Die großen Lösungen für Klima und Landwirtschaft gibt es nicht. Stattdessen liegen fragwürdige Lifestyle-Produkte und herkömmliche herbizidtolerante Sorten am Tisch. Keine Spur von „klimafitten“ Lösungen für Bäuerinnen und Bauern. Offenkundig ist aber, dass die Agrar- und Biotechkonzerne profitieren werden und Pläne für ein „Weiter wie bisher“ mit Präzisionslandwirtschaft als Lösung verkauft wird.

Klimakrise erfordert Systemwandel statt heißer Luft

Angesichts der Klimakrise ist es zentral, jetzt agrarökologische Lösungen und bäuerliche und partizipative Saatgutzüchtung zu fördern. Wenn wir das mit der umfassenden Ökologisierung der Landwirtschaft verbinden, können wir eine zukunftsfähige Landwirtschaft sichern.
„Wir spüren die Situation bei uns am Hof im Weinviertel: Hitze und Trockenheit erschweren den Anbau immer stärker. Das sind die Folgen der industriellen Landwirtschaft und der Klimakrise. Die Neue Gentechnik ist weder für das Klima, noch für uns Bäuerinnen und Bauern eine Option. Eine Deregulierung würde der wachsenden gentechnikfreien konventionellen und biologischen Produktion und dem Lebensmittelhandwerk einen schweren Schaden zufügen, Kosten würden steigen und die Wahlfreiheit ginge verloren. CRISPR und Co. bringen nur noch mehr Konzernmacht und den Verlust von Saatgutvielfalt. Wir können nicht mit rein technischen Lösungen weiter machen wie bisher. Wir setzen auf biologische Vielfalt und Boden- und Humusaufbau als echte Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft und davon braucht es in Zukunft noch viel mehr!“, so Biobäuerin Maria Vogt von der ÖBV – Via Campesina Austria.

Patentierungswelle und Konzernmacht

Für die Bäuerinnen und Bauern und die bäuerliche Saatgutzüchtung bedeuten Patente neue Abhängigkeiten, steigende Saatgutpreise und Lizenzgebühren und den Verlust von Kontrolle über ihre wichtige Arbeit. Verfahren wie CRISPR/Cas haben eine regelrechte Patentierungswelle ausgelöst, davon profitieren vor allem jene Konzerne, deren Geschäftsmodell auf der Nutzung geistiger Eigentumsrechte aufgebaut ist. CRISPR/Cas ist kein „demokratisches“ Verfahren für den Mittelstand, sondern Big Business für die Großen. Jedes Unternehmen, das die Technologie nutzen will, muss zuerst mit den Patentinhabern verhandeln und Lizenzen zahlen. Bereits jetzt haben Konzerne wie Bayer (Monsanto) und Corteva (DowDuPont) mit den Erfinder*innen teilweise exklusive Lizenzverträge abgeschlossen.

Faktenbasierter Dialog
Dass der Bauernbund in seiner Aussendung vom 26.4. nun das Wording der Industrie übernimmt zeigt einmal mehr, dass hier nicht die Anliegen und Probleme der Bauern und Bäuerinnen repräsentiert sind. Insbesondere die Lage und Betroffenheit des gentechnikfreien Sektors und der Biolandwirtschaft wird einmal mehr ignoriert. Diese Branchen wären durch eine Nicht-Regulierung der Neuen Gentechnik existenziell bedroht. Die entscheidenden Fragen für Bauern und Bäuerinnen bleiben ebenso offen, wie die Frage, wie dies ohne Regulierung beantwortet werden soll. Ein faktenbasierter Dialog muss alle Fakten, wissenschaftlichen Disziplinen und Perspektiven einschließen.[4] Das ist gerade jetzt wichtig, denn Ende April wird eine Studie der EU-Kommission veröffentlicht, in der neue Weichenstellungen erwartet werden.

Hintergrund
1) Gemeinsamer Aufruf an die Bundesminister*innen: „Neue Gentechnik darf nicht dereguliert werden!“ Der Aufruf wurde von den folgenden Organisationen und Verbänden unterzeichnet: Arche Noah, ARGE Gentechnik-frei, ARGE Schöpfungsverantwortung, Attac Österreich, BIO AUSTRIA, Bioverband Erde & Saat, Bodensee Akademie, Bundesarbeitskammer, Demeter Österreich, FIAN Österreich, Foodwatch Österreich, Gewerkschaft PRO-GE, GLOBAL 2000, Initiative Gentechnikfreie Bodenseeregion, ÖBV – Österreichische Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung, Südwind, Verein für eine enkeltaugliche Umwelt, WWF Österreich
2) Broschüre der AbL: “CRISPR & Co. Neue Gentechnik – Regulierung oder Freifahrtschein?“. Darin werden die Perspektiven von Betroffenen und verschiedenen Wissenschaften dargestellt, ein wichtiger Beitrag für eine ausgewogene Diskussion
3) Die Studie „Neue Gentechnik: Produkte & Profiteure“ finden Sie hier. Herausgegeben von Global 2000 und IG Saatgut, mitgetragen von ÖBV-Via Campesina Austria, AbL, BUND und Arche Noah.
4) Das Netzwerk Kritischer Wissenschafter*innen (ENSSER) belegt, welche wissenschaftlichen Daten in einer Bewertung der renommierten Leopoldina nicht oder nur teilweise berücksichtigt wurden.

Kontakt
Franziskus Forster
ÖBV-Via Campesina Austria
Tel.: +43 650 68 888 69

www.viacampesina.at