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Nyéléni: Ein Ruck geht um die Welt! published on

Nyéléni: Ein Ruck geht um die Welt!

„Weiter wie bisher“ ist auch für die sozialen Bewegungen längst keine Option mehr. Warum es jetzt eine starke Nyéléni-Bewegung für Ernährungssouveränität braucht – und geben wird.

Von Franziskus Forster

Vor gut 25 Jahren wurde das Konzept der Ernährungssouveränität geschaffen und in die Welt gebracht: Auf der World Food Summit wurde 1996 mit Ernährungssouveränität eine dringend notwendige kleinbäuerliche Alternative von La Via Campesina vorangetrieben: Ein Konzept, das sowohl das konzerndominierte, marktgetriebene Modell einer globalisierten Lebensmittelproduktion und -verteilung kritisiert und herausfordert, als auch ein neues Paradigma schafft, mit dem Hunger und Armut bekämpft werden können, indem lokale Ökonomien entwickelt und gestärkt werden. Denn nur mit Ernährungssouveränität gibt es wirkliche Ernährungssicherheit für alle. Das ist aktueller denn je. Ernährungssouveränität ist bis heute ein weltweiter Ruf an alle, die für soziale, ökologische, ökonomische und politische Gerechtigkeit eintreten. Als Antwort auf diesen Ruf hat Ernährungssouveränität von Anfang an die Phantasie von unzähligen Menschen auf der ganzen Welt beflügelt, inspiriert und viele haben ihr tagtägliches Engagement danach ausgerichtet. Auf Höfen und in den damit verbundenen Netzwerken wurden die vielen Ideen in die Tat umgesetzt, erprobt und erweitert.

Nyéléni global

Weltweit entstanden neue Allianzen, Initiativen und Wege. Viele Menschen, Bewegungen, Organisationen und Institutionen haben sich seither angeschlossen. Das erste globale Forum für Ernährungssouveränität 2007 in Mali war ein prägender Meilenstein in der Geschichte der Bewegung. Auf dem Forum kamen mehr als 500 Menschen aus 80 Ländern zusammen, um Ideen, Strategien und Aktionen gemeinsam zu entwickeln und um die globale Bewegung für Ernährungssouveränität zu stärken. Die Erklärung von Nyéléni[1] drückt die Vision dieser Bewegung aus. Es gab Foren zu Agrarökologie und zu Strategien gegen Land Grabbing. Und seither fanden auch zwei europaweite Foren statt, das erste davon 2011 in Krems. Auch in Österreich wuchs eine lebendige Bewegung, 2014 gab es das erste österreichische Nyéléni-Forum in Goldegg. Seither gab es regelmäßige Frühjahrs- und Herbsttreffen und auch ein gemeinsames Forum im deutschsprachigen Raum.

Die größte soziale Bewegung der Welt schuf eine neue Welt. Man kann mit Fug und Recht behaupten: Die Welt wäre heute eine andere – ungerechter, unwirtlicher, zerstörerischer, ungleicher und vor allem viel eintöniger – hätte es Ernährungssouveränität nicht gegeben. Vielleicht gäbe es die vielen Orte der Hoffnung auf der ganzen Welt nicht mehr, jedenfalls nicht so viele. Gerade die Menschen an diesen Orten sind es, durch die – auch in unseren Zeiten – ein gutes Leben für Alle überhaupt erst denkbar, greifbar und fühlbar bleibt. Und doch ist mit klarem Blick zu sagen: Es liegt noch vieles vor uns, das zu tun bleibt.

Im Kommen: zweites globales Nyéléni-Forum!

In der Nyéléni-Bewegung für Ernährungssouveränität aktiv sein heißt, nicht auf die Katastrophe zu warten. Der Aufruf lautet vielmehr, nun eine globale Antwort auf allen Ebenen zu geben. Das ist dringender denn je. Deshalb werden weltweit neue Prozesse gestartet, um die Bedingungen dafür zu schaffen. Eine davon ist das Ziel, die Allianzen mit den Bewegungen für Klimagerechtigkeit, mit den Arbeiter*innenbewegungen und mit Bewegungen für ökologische und globale Gerechtigkeit zu vertiefen. Wir sind in einem Jetzt-oder-nie-Moment, die Koordinaten sind auf Systemwandel hin zu Ernährungssouveränität gestellt.

Das International Planning Committee for Food Sovereignty (IPC) rief deshalb 2022 zu einem Prozess für ein zweites globales Nyéléni-Forum auf. Die Zeit ist genau richtig, um nun die mit Nyéléni bisher gewachsenen Verbindungen zu vertiefen und zu erweitern. Die Welt braucht gerade jetzt dringend einen Prozess, in dem Klein*bäuerinnen, Fischer*innen, Landlose, Hirt*innen und Landarbeiter*innen eine Stimme erhalten. Es gibt dringende Herausforderungen und den täglich so deutlichen Bedarf, unsere Formen der Zusammenarbeit und unsere Art und Weise, die Welt zu verändern, neu zu vernetzen, neu zu stärken und gemeinsame Strategien zu entwickeln.

Das globale Forum ist ein umfassendes und großes Vorhaben, denn es beinhaltet nicht nur eine bloße Veranstaltung, sondern auch die demokratische Konsultation in allen Regionen, in denen das IPC organisiert ist. – Und hier werden wir uns auch von unseren Breitengraden aus intensiv einbringen. Denn auch hier brauchen wir eine starke Bewegung dringender denn je. Wer sich dabei einbringen mag, findet beim Nyéléni-Herbsttreffen eine ideale Gelegenheit![2] (Infos siehe öbv-info I auf dieser und der nächsten Seite).

Im Rahmen dieses Nyéléni-Prozesses werden hunderttausende Menschen – Kleinbäuer*innen, Fischer*innen, indigene Bewegungen, Konsument*innen, NGOs und kritische Wissenschafter*innen – auf der ganzen Welt darüber diskutieren, welche Lösungen wir vorschlagen und vorantreiben wollen und welche Prioritäten wir uns in den nächsten 25 Jahren im Rahmen unseres Einsatzes für Ernährungssouveränität setzen wollen. Die Ergebnisse der globalen Konsultation werden auf dem Nyéléni-Forum vor hunderten von Delegierten aus der ganzen Welt präsentiert. Ebenso werden Strategien und Lösungen für gerechte und ökologische Agrar- und Ernährungssysteme erarbeitet. – Und es werden globale Allianzen erneuert und gestärkt. Denn nur dann sind wir gemeinsam in der Lage, jenen etwas entgegenzusetzen, die für diese immer weiter verschärfte Vielfach-Krise unserer Gegenwart verantwortlich sind. Das ist die Voraussetzung für eine bessere und kleinbäuerliche Zukunft. Kurzum: Es wird ein Ruck um die Welt gehen! Globalisieren wir unsere Kämpfe! Globalisieren wir die Hoffnung! Seid dabei!

Franziskus Forster ist politischer Referent bei der ÖBV-Via Campesina Austria.

Dieser Artikel wurde zuerst in der Zeitschrift “Wege für eine Bäuerliche Zukunft” Nr. 373/2022 veröffentlicht.

Weitere Informationen: https://www.foodsovereignty.org/nyeleni-process/ und Kurzvideo: https://youtu.be/Ja-1EZqZcGI

[1] https://nyeleni.org/en/erklarung-von-nyeleni-nyeleni-gemeinde-selingue-mali/

[2] Wer uns dabei in der Vorbereitung und im weiteren Prozess unterstützen mag und kann: Bitte sehr gerne unter melden!