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Raus aus der WTO! Ernährungssouveränität jetzt! published on

Raus aus der WTO! Ernährungssouveränität jetzt!

La Via Campesina fordert die Staaten auf, aus der WTO auszutreten und ein neues Rahmenwerk zu schaffen, das auf Ernährungssouveränität beruht

Presseaussendung vom 15. Juni 2022, Genf. Auch auf Englisch, Spanisch und Französisch verfügbar.

Die globale kleinbäuerliche Bewegung La Via Campesina, die die Stimmen von mehr als 200 Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen in Asien, Afrika, Europa und den Amerikas repräsentiert, hat über die ganze letzte Woche hinweg gegen die WTO mobilisiert. Die Nahrungsmittelkrise, die die Welt derzeit heimsucht, belegt einmal mehr, dass der Freihandel – weit davon entfernt, Ernährungssicherheit zu schaffen – die Menschen verhungern lässt.

Erneut hat die Welthandelsorganisation (WTO) darin versagt, eine dauerhafte Lösung für die öffentliche Vorratshaltung zum Zwecke der Ernährungssicherung anzubieten. Seit mehr als acht Jahren blockieren die reichen Länder konkrete Vorschläge der afrikanischen und asiatischen Mitglieder der G33 zu diesem Thema.

Jeongyeol Kim, von der Koreanischen Bäuerinnenvereinigung und Mitglied des International Coordination Committee (ICC) von La Via Campesina: „Freihandel befördert den Hunger. Nach 27 Jahren unter der Herrschaft der WTO ist diese Schlussfolgerung eindeutig. Es ist an der Zeit, die Landwirtschaft aus allen Freihandelsabkommen herauszunehmen. Die Pandemie und der Schock und die kriegsbedingten Unterbrechungen haben deutlich gemacht, dass wir ein lokales und nationales Ernährungssystem brauchen, das von den Menschen und nicht von der Agrarindustrie gestaltet ist. Ein System, das auf den Grundsätzen der Solidarität und Zusammenarbeit und nicht auf Wettbewerb, Zwang und geopolitischen Agenden beruht.”

Burry Tunkara von der gambischen Organisation der Kleinbäuer:innen, Fischer:innen und Waldbewirtschafter:innen und eine der wichtigsten Sprecherinnen der Jugend von La Via Campesina: “Die WTO verteidigt nur die Reichen und ihre wirtschaftlichen Interessen. Sie ist ein Instrument des Neokolonialismus. Sie dient nur den Interessen der multinationalen Konzerne, um neue Märkte und billigere Arbeitskräfte zu finden. Es ist an der Zeit, das zu beenden!”

Die sozialen und ökonomischen Interessen der ärmsten und einkommensschwachen Länder sind keine Priorität für die WTO. Der Beweis: Ihre Unfähigkeit, einen Schutzmechanismus gegen das „Dumping” der reichen Länder einzurichten, und ihr Vorgehen bei den Fischereisubventionen zum Nachteil der Kleinfischer und -fischerinnen. Es hat keinen Sinn, eine Institution zu reformieren, die geschaffen wurde, um die Geschäftsinteressen einer Handvoll multinationaler Konzerne zu begünstigen.

Perla Álvarez aus Paraguay, Mitglied der Lateinamerikanischen Koordination von La Via Campesina (CLOC), erklärte, dass ein Systemwechsel dringend notwendig ist: “Die globale Nahrungsmittelkrise ist unser Moment der Abrechnung. Hier gibt es keinen Platz für ein ‘Weiter-wie-bisher’. Wir legen kurz- und langfristige Vorschläge vor, die die Art und Weise, wie sich der Handel auf bäuerliche Gemeinschaften in der ganzen Welt auswirkt, radikal verändern können.”

Während die WTO-Ministerkonferenz heute, am 15. Juni, in Genf wieder einmal die Erwartungen der von der Nahrungsmittelkrise am stärksten betroffenen Menschen enttäuscht hat, teilen wir, La Via Campesina, unsere Vorschläge:

La Via Campesina ruft alle nationalen Regierungen dazu auf, die öffentlichen Vorräte wieder aufzustocken und die Schaffung von Nahrungsmittelreserven auf kommunaler Ebene mit lokalen Produkten aus agrarökologischer Landwirtschaft zu unterstützen. LVC fordert außerdem alle Regierungen auf, die notwendigen Anti-Dumping-Gesetze zu erlassen, um zu verhindern, dass Exporteure die lokalen Märkte zerstören.

Yudhvir Singh von der Bhartiya Kisan Union, einer der bäuerlichen Gewerkschaften, die an der Spitze der historischen Massenmobilisierung der indischen Bauern und Bäuerinnen im Jahr 2021 standen, berichtete von den Erfahrungen seines Landes mit öffentlichen Nahrungsmittelvorräten: „Die Bauern und Bäuerinnen brauchen starke öffentliche Politiken wie Mindestpreise und öffentliche Lagerbestände, um weiterhin einen angemessenen Lebensunterhalt durch die Produktion von Lebensmitteln zu verdienen. Die Angriffe der WTO gegen unser Modell der Marktregulierung sind äußerst gefährlich. Die G33 muss weiterhin Widerstand leisten und auf den Wünschen und Hoffnungen der Kleinbauern und -bäuerinnen aufbauen.”

La Via Campesina hat die sofortige Aussetzung aller bestehenden WTO-Regeln gefordert, die die Länder daran hindern, öffentliche Nahrungsmittelvorräte anzulegen und den Markt und die Preise zu regulieren. Die Regierungen sollten das Recht haben, selbst gewählte interne Kriterien zum Schutz und zur Förderung ihrer Ernährungssouveränität anzuwenden. Jedes Land sollte in der Lage sein, eine eigene Agrar- und Ernährungspolitik zu entwickeln und die Interessen seiner Bauern und Bäuerinnen zu schützen, ohne anderen Ländern zu schaden. Die Verwendung von Agrarprodukten für Agrotreibstoffe sollte verboten werden. La Via Campesina hat auch einen Stopp der Spekulation gefordert.

“Eine Agrarreform ist notwendig, um Ernährungssouveränität aufzubauen”, fügte Zainal Arifin Fuat von Serikat Petani Indonesia und Mitglied des ICC von La Via Campesina hinzu. „Die Regierungen müssen dem Zugriff der transnationalen Konzerne auf Wasser, Saatgut und Land ein Ende setzen und die fairen Rechte der Kleinbauern und -bäuerinnen an ihren gemeinsamen Ressourcen sichern.”

Wir, La Via Campesina, bestehen darauf, dass die Regierungen im Rahmen der Pandemie und der globalen Versorgungskrise den lokalen Märkten Vorrang einräumen.

Morgan Ody, Bäuerin in der Bretagne in Frankreich und Koordinatorin von La Via Campesina erklärte im Namen der weltweiten Bewegung der Kleinbauern und -bäuerinnen: “Die Welthandelsorganisation ist ein gescheitertes Projekt. Unsere weltweite Bewegung der Kleinbauern und -bäuerinnen fordert alle Staaten, insbesondere die des Südens, auf, die WTO sofort zu verlassen. Wir müssen einen neuen internationalen Rahmen für Landwirtschaft und Handel schaffen, der auf Ernährungssouveränität basiert. Nur so können wir die Interessen der kleinbäuerlichen Lebensmittelproduzent:innen verteidigen.”

Rückfragen:

Presseunterlagen: https://linktr.ee/laviacampesina

Hintergrund:
La Via Campesina vereint 181 kleinbäuerliche Organisationen in über 80 Ländern als Mitglieder. Das globale Netzwerk der Kleinbauern und -bäuerinnen und ihre Bündnispartner:innen haben in den Vereinten Nationen (UN) 17 Jahre lang Verhandlungen geführt, bis 2018 die UN-Erklärung über die Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und Menschen, die in ländlichen Gebieten leben (UNDROP) von der UNO angenommen wurde.