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Systemwandel statt Klimawandel published on

Systemwandel statt Klimawandel

Schon in der Schule hat mich ein Kollege gefragt, ob ich eigentlich wüsste, wie viele Kilometer mein Joghurt hinter sich gebracht hat, bis es bei mir gelandet ist. Ich weiß die Zahl nicht mehr, die er genannt hat, aber sie war erschreckend hoch – für ein Milchprodukt, das in der nächsten Molkerei abgepackt worden ist.

Selten denkt man daran, dass ja nicht nur das eigentliche Produkt, das man gern möchte, schon weit gefahren ist – vom Bauernhof zur Molkerei, von dort zum Zentrallager und von dort zum Geschäft und zu mir nach Hause – sondern auch die Verpackung und die ganzen Zutaten, die zur Produktion nötig sind. Ob da auch der Anfahrtsweg der Menschen bedacht ist, die in der Molkerei arbeiten?

Mir fällt dieser Gedanke immer wieder ein, wenn ich im eigenen Verarbeitungsraum am Hof stehe und die Milch unserer Kühe zu Joghurt verarbeite. Wahrscheinlich ist das eh kindisch, aber es freut mich jedes Mal wieder, dass zumindest der Inhalt der Gläser keinen Kilometer auf die Klima-Waagschale bringt. Auch die Leute, die bei uns einkaufen, wohnen nicht weit weg.
Das ist dann mein wöchentlicher direkter Beitrag zum Systemwandel.

Ich seh in der Forderung nach Systemwandel auch einen Auftrag. Gerade wir Bäuerinnen und Bauern können nicht einfach Systemwandel fordern, sondern müssen diese Forderung auch umsetzen! Wenn die Leute rundherum keine Produkte vom Bauernhof angeboten bekommen, können sie diese auch nicht kaufen. Leider haben wir das eher verlernt mit dem Druck, dass landwirtschaftliche Betriebe sich spezialisieren sollen. Direktvermarktung ist aber nicht nur gut für das Klima, sie wär auch eine Möglichkeit, die Wertschöpfung selbst in der Hand zu haben.

Ich träume ja manchmal schon von einem Systemwandel, der dazu führt, dass es am Land wieder mehr Arbeitsplätze gibt – nicht zuletzt auf Bauernhöfen, und die Kilometer für das Joghurt werden weniger und weniger …

von Judith Moser-Hofstadler (Biobäuerin in OÖ)