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Wahlcheck Landwirtschaft: 10 Schritte für eine sozial und ökologisch gerechte Landwirtschaft der Zukunft published on

Wahlcheck Landwirtschaft: 10 Schritte für eine sozial und ökologisch gerechte Landwirtschaft der Zukunft

Bäuerliche Verbände und Umweltschutzorganisationen befragen wahlwerbende Parteien zur Zukunft der Landwirtschaft – im Angesicht von Klimakrise und extremen Wetterereignissen.

Die aktuellen Hochwasser in Österreich sind ein eindringliches Warnsignal dafür, wie stark die Klimakrise auch unsere Landwirtschaft heute schon trifft. Extreme Wetterereignisse wie Starkregen und Überschwemmungen verursachen immense Schäden auf den Feldern der Bäuerinnen und Bauern. Während sie selbst als erste von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, trägt die industrielle Landwirtschaft gleichzeitig auch zur Verschärfung der Klimakrise bei. Deshalb ist es – um die Zukunft unserer Ernährung zu sichern – wichtiger denn je, die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft zu reduzieren und agrarökologische Bewirtschaftungsformen für unsere Lebensmittelproduktion zu etablieren. Eine Landwirtschaft, die Artenvielfalt fördert, artgerechte Tierhaltung betreibt und sozial gerecht ist – so sollte die Landwirtschaft der Zukunft aussehen.

GLOBAL 2000, BirdLife Österreich, ÖBV-Via Campesina Austria, Erde & Saat, die Gewerkschaft PRO-GE und die Arbeiterkammer Wien haben im Mai gemeinsam 10 Schritte für eine sozial und ökologisch gerechte Landwirtschaft erarbeitet. Diese 10 Schritte zeigen, wie eine nachhaltige Zukunft der Landwirtschaft gelingen kann. Anlässlich der Nationalratswahl am 29. September wurden die Parteien befragt: Wie viele der 10 Schritte gehen sie mit?

Ein Fragebogen zur Parteiposition zu Landwirtschaft wurde von ÖVP, SPÖ, Grünen, NEOS und der KPÖ beantwortet. Bedauerlicherweise haben sich zwei Parteien – die FPÖ und die Bierpartei – entschieden, keine Antworten zu liefern. Die Ergebnisse zeigen: Bei der Kennzeichnung von patentiertem Gentechnik-Saatgut sind sich alle Parteien einig. Ganz anders bei Pestiziden, Biodiversität oder Tierhaltung – da gehen die Standpunkte der Parteien deutlich auseinander.

Wetterextreme und ihre verheerenden Auswirkungen auf die Landwirtschaft unterstreichen die Dringlichkeit, die richtigen politischen Weichenstellungen vorzunehmen. “Die notwendige agrarökologische und soziale Transformation der Landwirtschaft erfordert geeignete Rahmenbedingungen, die Bäuerinnen und Bauern dabei unterstützen, den Wandel hin zu einer zukunftsfähigen und ressourcenschonenden Landwirtschaft voranzutreiben. Die Nationalratswahl ist entscheidend für das Klima, die Umwelt, Tierschutz sowie die Bäuer:innen und Arbeiter:innen in der Landwirtschaft!”, fordern der Bioverband Erde & Saat, ÖBV-Via Campesina Austria und die Umweltschutzorganisationen BirdLife Österreich und GLOBAL 2000 alle Wahlberechtigten auf, ihre Stimme am 29. September zu nutzen – für eine Landwirtschaft, die auch den Herausforderungen der Klimakrise gewachsen ist.

Die Ergebnisse im Detail

Zur Frage, ob als Maßnahme gegen die Klimakrise die Tierhaltung extensiviert (Reduktion der Tierbestände) und an die vorhandene Fläche gebunden, sowie Förderanreize für die Reduktion des Tierbestandes geschaffen werden sollen, sprachen sich alle teilnehmenden Parteien dafür aus – mit Ausnahme der ÖVP. Die Grünen setzen auf Förderanreize für einen Umstieg von tierischer auf pflanzliche Produktion, die SPÖ verknüpft die Reduktion des Tierbestandes mit Grundwasserschutz, die KPÖ setzt den Fokus auf hofeigenen Anbau von Futter- und Eiweißpflanzen. NEOS betonen, dass eine Extensivierung auch das Tierwohl erhöht. Die ÖVP lehnt eine Reduktion des Tierbestands und der Produktionsintensität ab und befürchtet Wettbewerbsverzerrungen sowie Gefahren für die Versorgungssicherheit.

Zur Frage verpflichtender Biodiversitätsauflagen, die angemessen entlohnt werden und dazu beitragen, dass insgesamt 10 % der landwirtschaftlichen Fläche für den Erhalt der Biodiversität sichergestellt werden, sprachen sich alle Parteien – wieder mit Ausnahme der ÖVP – für den Ausbau solcher Maßnahmen aus. Die Grünen setzen dabei auf eine Kombination aus verpflichtenden Umweltauflagen und starken Anreizen. NEOS setzen sich in dieser Frage für an Auflagen gebundene Förderungen ein. Die ÖVP hingegen sieht den Wert bereits erreicht und lehnt „Zwangsvorgaben“ ab. Die SPÖ betont die Bedeutung der Biodiversität für den Erhalt der Bestäuber, und für die KPÖ ist neben der Ausweitung der Biodiversitätsflächen auch der Einhalt der Bodenversiegelung zentral.

Saatgut aus Neuer Gentechnik soll weiterhin streng reguliert und klar gekennzeichnet bleiben – hier herrscht große Einigkeit unter allen Parteien. Die SPÖ betonte die Bedeutung von Transparenz für Konsument:innen, Wahlfreiheit und das Vorsorgeprinzip. Auch NEOS heben hohe Sicherheitsstandards und eine klare Kennzeichnung hervor. Die Grünen wollen die bewährten Regeln beibehalten, die KPÖ betont, dass die Rechte von Bauern und Bäuerinnen an ihrem Saatgut gestärkt werden. Die ÖVP will die Vorreiterrolle Österreichs im gentechnikfreien Anbau absichern.

Eine Abkehr der aktuellen Berechnungsgrundlage (Ausgleich für Mehraufwand und Minderertrag) für Förderungen im Bereich Umweltleistungen der Biolandwirtschaft befürworten alle Parteien außer der ÖVP. Grüne, KPÖ und SPÖ meinen, dass diese Abkehr vor allem der Biolandwirtschaft zu gute kommen würde, NEOS fordert darüber hinaus eine Reform des gesamten Förderwesens zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Biolandwirtschaft. Die ÖVP verweist auf EU-Regelungen und will beim aktuellen Förderregime bleiben.

Zur Frage der Verteilung und Einkommen, ob es eine Abkehr von der bisherigen Flächenförderung hin zur Förderung der Arbeitskraft geben soll, sprechen sich die Grünen, die SPÖ, NEOS und KPÖ für eine Abkehr aus. Sie fordern eine Kappung und Staffelung der Förderung, um eine Umverteilung hin zu Klein- und Mittelbetrieben zu ermöglichen und gleichzeitig die Arbeitskraft und ökologische Leistungen stärker zu unterstützen. Die KPÖ fordert, nachhaltige Anbaumethoden zu fördern, statt die Agrarindustrie zu subventionieren. Die ÖVP sieht keine Notwendigkeit einer grundlegenden Umgestaltung und Umverteilung der Förderungen.

Für die Pestizidreduktion, insbesondere das Ziel der „Farm-to-Fork“-Strategie, die eine Reduktion von 50 % in der Verwendung und dem Risiko von Pestiziden vorsieht, sprachen sich alle Parteien mit Ausnahme der ÖVP aus. Die Grünen fordern zusätzlich eine geeignete Monitoring-Methode, um die Toxizität der Pestizide zu berücksichtigen. Die SPÖ plädiert für eine Forschungsstrategie für wirksame, ökologische Alternativen. Die KPÖ spricht sich für eine EU-Verordnung zur Pestizidreduktion aus. Für NEOS ist die Reduktion von Pestizidverwendung und -risiko essentiell, um die Umwelt zu schützen und die Biodiversität zu fördern. Die ÖVP hingegen lehnt Reduktionsziele ab und betont die Notwendigkeit eines „vollen Werkzeugkoffers“ an Betriebsmitteln für Bäuer:innen.

Bei der Frage zur Digitalisierung in der Landwirtschaft und ob Unternehmen ihre Daten für Open-Source-Lösungen zur Verfügung stellen müssen, zeigen sich unterschiedliche Ansichten der teilnehmenden Parteien. Die Grünen fordern ein „Open by Default“-Prinzip und wünschen sich, dass alle nicht personenbezogenen Daten offen zugänglich sind. Die SPÖ befürchtet Quasi-Monopole von Agrarkonzernen und fordert den Schutz von Nutzer:innendaten. Die ÖVP lehnt Open-Source-Lösungen ab und setzt auf die Vertraulichkeit von Betriebsgeheimnissen. Die NEOS unterstützen Open-Source-Lösungen, setzen aber auf Freiwilligkeit bei der Bereitstellung von Daten. Die KPÖ spricht sich ebenfalls für Open-Source-Lösungen aus.

Beim Handel, insbesondere dem EU-Mercosur-Abkommen, setzen sich alle Parteien – mit Ausnahme der NEOS – für einen Stopp des Abkommens ein. Die KPÖ bezeichnet die EU-Handelspolitik als desaströs. Die Grünen lehnen das Abkommen klar ab, die SPÖ meint, Handelspolitik dürfe nicht auf Kosten von Arbeitnehmer:innenrechten gehen. Die ÖVP begründet ihre Ablehnung mit unzureichender Rücksicht auf die hohen Produktionsstandards der EU. Einzig NEOS sind für das Abkommen, möchten jedoch die Verhandlungsergebnisse verbessern.

Bessere Tierhaltung und Tierschutz sind vielen Konsument:innen ein Anliegen und werden ein immer wichtigeres Argument beim Einkauf. Gefragt nach der Weiterentwicklung der Tierhaltungsstandards stimmen die befragten Parteien in unterschiedlichen Maße zu – am wenigsten weit gehen dabei ÖVP und KPÖ, die mit einer EU-weiten Regelung argumentieren. Hingegen sieht die SPÖ höhere Standards auch als Chance für Landwirtschaftsbetriebe und die Grünen betonen, den Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden. Eine Kennzeichnung der Tierhaltung auf tierischen Lebensmitteln fordern insbesondere die Grünen, die SPÖ und NEOS, während ÖVP und KPÖ auf die Herkunftskennzeichnung setzen.

Keine der befragten Parteien spricht sich gegen die Verknüpfung der Einhaltung von einzelnen Arbeitsrechtsbestimmungen mit bestimmten Zahlungen aus dem EU-Agrarfonds aus. Grüne und SPÖ wollen allerdings eine Erweiterung der Auflagen, die dafür einzuhalten sind und die derzeit nur sehr beschränkt kontrolliert und sanktioniert werden. Auch für die NEOS sprechen sich für bindende kollektivvertragliche Bestimmungen sowie nationale, internationale und EU-Vorschriften aus. Während ÖVP und KPÖ die geltenden Bestimmungen als ausreichend sehen.

Die Fragen und Antworten zu den 10 Schritten im Detail finden Sie hier.

Bildcredit: GLOBAL 2000

Rückfragehinweise:
Selina Englmayer, GLOBAL 2000 Pressesprecherin, +43 699 14 2000 26, selina.englmayer[at]global2000.at
Franziskus Forster, ÖBV-Via Campesina Austria, +43-650-68 888 69, presse[at]viacampesina.at