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Wir sind das Wasser, das sich selbst verteidigt! published on

Wir sind das Wasser, das sich selbst verteidigt!

Globaler Aufruf der Bewegungen für das Recht auf Wasser

Mehr als 300 Bauern- und Bäuerinnen-, indigene-, Umwelt-, feministische und Gewerkschaftsorganisationen aus der ganzen Welt rufen dazu auf, den Kampf gegen die Mega-Becken und die Kämpfe für Wasser als Gemeingut in Frankreich und überall auf der Welt zu unterstützen und die Repression der französischen Regierung anzuprangern!

Am 24., 25. und 26. März 2023 versammelten sich mehr als 25.000 Menschen im Marais Poitevin, dem zweitgrößten Feuchtgebiet Frankreichs, zu einer internationalen Mobilisierung gegen die Pläne für “Mega-Pools”.

Diese riesigen, zehn Hektar großen Krater, die durch Anzapfen des Grundwassers gefüllt werden, stehen sinnbildlich für die Aufrechterhaltung eines agrarindustriellen Modells, das die Bauern und Bäuerinnen verdrängt und die Lebensräume zerstört. In Chile wurden sie bereits vor einigen Jahrzehnten eingeführt und haben dort verheerende Auswirkungen: Milliardäre, die Avocadokulturen besitzen, beanspruchen das Wasser für sich, um Mega-Becken zu füllen, während die umliegenden Dörfer mit Tanklastzügen versorgt werden. “No es sequia, es saqueo!”, fasst der populäre Slogan zusammen, der von Chile bis Mexiko hallt – „Es ist keine Dürre, es ist eine Plünderung!“

Es ist keine Dürre, es ist eine Plünderung!
Verschmutzung, Übernutzung, Kommerzialisierung, Aneignung, Umwälzung der Wasserkreisläufe: Überall auf der Welt ist die Lage kritisch. Während 40 % der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen sind, eignen sich die Lebensmittelriesen Danone, Nestlé oder Coca-Cola Quellwasser an und berauben die indigenen Völker Mexikos, der USA und Kanadas ihres Wassers, um es zu hohen Preisen in Plastikflaschen zu verkaufen. Auch anderswo werden – einhergehend mit den kapitalistischen Ansprüchen, die Wirtschaft zu “dekarbonisieren” – Minen und große Staudämme gebaut, die die von Bäuer*innen und indigenen Gemeinschaften bewohnten Gebiete zerstören.

Trotz des “Wasserkriegs” im bolivianischen Cochabamba im Jahr 2000, der Gegengipfel und der Anerkennung des Rechts auf Wasser durch die UNO im Jahr 2010 sind die Privatisierung und die Finanzialisierung des Wassers immer weiter vorangeschritten. Im Jahr 2020 wurde Wasser sogar an der Börse gehandelt. Angesichts dieser Ökozid-Offensive auf Wasser, Land und unsere Lebensgrundlagen breiten sich die Kämpfe um Wasser weiterhin aus und verbinden sich weltweit.

Einige von uns waren am 25. März in Sainte-Soline in Frankreich physisch anwesend, um unsere Kämpfe sichtbar zu machen und zu internationalisieren. Wir, Aktivistinnen und Aktivisten aus Chile, die gegen die Zerstörung unserer Ökosysteme durch den autoritären Neoliberalismus kämpfen; Aktivistinnen und Aktivisten aus Mali und Westafrika, die um die Rückgabe ihres Landes gegen Landgrabbing kämpfen; Aktivistinnen und Aktivisten aus Kurdistan, die sich gegen den unerbittlichen Krieg des Erdogan-Regimes in der Türkei wehren, das Wasser als Waffe benutzt; indigene Yukpa-Aktivisten aus Abya Yala die für die Selbstbestimmung unserer Nationen gegen ein koloniales und extraktivistisches System kämpfen; Aktivistinnen und Aktivisten der Lakota-Nation aus Mexiko; Aktivistinnen und Aktivisten der Sozialzentren im Nordosten Italiens oder des NoTAV; Aktivistinnen und Aktivisten des “Landes im Land” in Belgien; Aktivistinnen und Aktivisten in Frankreich und Europa, die an Hunderten von territorialen Kämpfen gegen zerstörerische Projekte beteiligt sind. Andere waren durch die Wärme unserer Herzen und Gedanken anwesend.

Im Angesicht dieser beispiellosen Mobilisierung beschloss die französische Regierung, die Demonstration zu verbieten und mehr als 3.200 Gendarmen zum Schutz des tödlichen Mega-Becken-Projekts einzusetzen. Innerhalb von zwei Stunden wurden mehr als 5.000 Granaten auf die Demonstrant*innen abgefeuert (d. h. alle zwei Sekunden eine Granate), wodurch fast 200 Menschen verletzt wurden, einige Dutzend davon schwer. Heute liegt ein Demonstrant immer noch im Koma und schwebt zwischen Leben und Tod. Die französische Regierung kündigte die “Auflösung” der “Aufstände der Erde” an, einer der Organisationen, die die Demonstrationen initiiert hatten.

Diese sehr brutalen Szenen erinnern uns an die traurige Realität, die wir in unseren Gebieten und auf unseren Kontinenten in unterschiedlichem Ausmaß erleben: Wir erleben überall das Wiederaufleben oder die Verstärkung des Autoritarismus, der Repression und der Kriminalisierung derjenigen, die sich den laufenden Zerstörungen sowie den kapitalistischen und imperialistischen Logiken, die ihnen zugrunde liegen, widersetzen. Aber man kann die Bewegungen für Wasser nicht auflösen, man kann eine lebenswichtige Revolte, die über Grenzen und Sprachen hinweg wächst und widerhallt, nicht auflösen!

Aufruf
Deshalb rufen wir, Akteure im Kampf für das Leben, Bauern und Bäuerinnen, Menschenrechts- und Umweltschützer, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Gewerkschaften, Kollektive und Organisationen aus verschiedenen Kontinenten, zu einer massiven internationalen Unterstützung des Kampfes um Wasser und gegen die Mega-Becken in Frankreich auf. Wir rufen dazu auf, die Unterdrückung der sozialen und ökologischen Bewegung durch die französische Regierung anzuprangern.

Unsere Unterstützung erstreckt sich auf alle, die weltweit gegen die Vereinnahmung, Privatisierung und Verschmutzung des Wassers und für seine gerechte Aufteilung und seinen Schutz als unveräußerliches Gemeingut kämpfen!

In diesem Sinne fordern wir daher auch die Einhaltung der UN-Erklärungen zu den Rechten indigener Völker (UNDRIP) und zu den Rechten von Bauern und anderen in ländlichen Gebieten arbeitenden Menschen (UNDROP).

Ausgehend vom Wasser, das durch unsere Adern fließt, von den Flüssen der Wassereinzugsgebiete, die unsere Gebiete am Leben erhalten, und von den Flüssen, die unsere Orte verbinden, rufen wir dazu auf, internationalistische Begegnungen und Bündnisse zu stärken, um Wasser, Land und die Commons, die das Leben tragen, zu verteidigen. Angesichts aller Formen von Unterdrückung und des Autoritarismus ist unsere Solidarität wie fließendes Wasser: Sie trägt Leben und Freiheit in sich und kennt keine Grenzen!

Dieser Aufruf wurde u.a. auch von vielen Mitgliedsorganisationen von La Via Campesina weltweit unterzeichnet, denn sie stehen auf der ganzen Welt im Zentrum von Kämpfen um Wasser. Auch die ÖBV-Via Campesina Austria hat diesen Aufruf unterzeichnet.

Link zum globalen Aufruf: hier und hier

Liste der Unterzeichner*innen: hier