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Wirtschaften für ein gutes Leben published on

Wirtschaften für ein gutes Leben

Neulich war ich als „Besucherin“ bei einer Vorlesung auf der BOKU zum Thema Agrarpolitik. Obwohl ich mir definitiv im Vorhinein bewusst war, dass es sich hierbei nicht um einen Vortrag für Idealisten aus alternativer agrarpolitischer Perspektive handeln wird, war ich doch sehr überrascht bei einigen Feststellungen die den Studenten in den 90 Minuten präsentiert wurden.

Zuerst erstellte der Vortragende einen groben Überblick zu der Entstehung der österreichischen, und europäischen, Agrarpolitik. Angefangen bei der neolithischen Revolution bis zur Zeit der Industrialisierung und, im konkreten Bezug auf unsere heutige Agrarpolitik, die Jahrzente in Folge des 2. Weltkrieges. Immer wieder verwies er auf die beitragende Rolle der Landwirtschaft als Sektor der Volkswirtschaft eines Staates.

Vor allem bei der Aussage, „Das Bauernsterben, und somit der Strukturwandel, ist ein natürlicher Vorgang.“ wurde ich hellhörig. Natürlich? Im welchen Zusammenhang wurde dieses Wort gewählt? Als ein natürlicher Prozess in der Evolution des Menschen? Oder wohl doch eher als logisches Resultat des von Menschen erschaffenen Wirtschaftssystems?

Eigentlich wurde Wirtschaft, ursprünglich ja als der Handel mit Waren, als Werkzeug geschaffen, als ein System an dem alle Beteiligten profitieren und dadurch etwas erreichen was alleine unmöglich wäre. Jedoch kommt es mir so vor, als ob der Mensch sich mittlerweile immer mehr der Wirtschaft fügen müsste, diese sich selbstständig und unkontrollierbar gemacht hätte, dass der Markt über uns hinauswächst und damit die Freiheit eines jeden Menschen einschränkt sein Leben so zu führen wie sie es für richtig hält.

Richtig bedauernswert für mich ist es, dass „die ökonomische Sichtweise“, so oft genannt in der von mir besuchten Vorlesung, das meiste akademisches Ansehen genießt und, dass Wörter wie „natürlich“ in so einem Kontext jedes Gegenargument untermauern. Dabei ist die Wirtschaft wie wir sie heute kennen nur eine von ganz vielen Varianten wie wir Menschen unser Leben organisieren könnten.

Für ein gutes Leben stelle ich mir eine Wirtschaft wieder als brauchbares Werkzeug vor, welches aus Kooperation, Austausch und Gleichberechtigung besteht. Dazu wünsche ich mir, dass es bald ein Bildungssystem geben wird in dem mehrere Sichtweisen vorgestellt und neue Denkweisen gefördert werden, anstatt dass etwas offensichtlich künstlich Erschaffenes wie unser derzeitiges Wirtschaftssystem als naturgegeben und damit unveränderlich dargestellt wird. Ein gutes Leben für mich bedeutet nicht immer wachsender Wohlstand, sondern die Möglichkeit mein Leben nach meinen Wertvorstellungen zu gestalten.

von Marlene Nuart (Praktikantin bei der ÖBV und angehende Biobäuerin in Kärnten)