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Zum Thema: Recht auf adäquaten Lebensstandard published on

Zum Thema: Recht auf adäquaten Lebensstandard

In meinem Kleiderschrank hängt eine fein gestreifte, blaue Bluse. Schon öfters bekam ich Komplimente, wie gut sie mir steht. Die Bluse kaufte ich in einer Shoppingmeile in Wien. Zehn Euro habe ich dafür an der Kassa hingeblättert.

Als ich die Bluse erstand, wusste ich noch nicht, dass der Shop zu jenem Handelsriesen gehört, der als weltweit zweitgrößter Textilhändler agiert. Das Unternehmen lässt in Bangladesh fertigen. Dort sind rund 3,5 Millionen Menschen in der Textilindustrie beschäftigt. In Fabriken, in denen die Näh- und Arbeitsplätze zu tausenden dicht aneinander gedrängt sind. Menschen kommen zu Tode oder werden krank nach dem Kontakt mit Stoffen, werden unter Druck gesetzt, misshandelt, gezwungen 12-15 Stunden pro Tag in der Fabrik zu arbeiten, auch am Wochenende. Die Löhne? Miserabel. So miserabel wie die Arbeitsbedingungen. Der feine Sand vom Sandstrahlen der Jeans, die für den europäischen Markt bestimmt sind, dringt in die Lugen der Arbeiter ein, und führt nach und nach zum Erstickungstod. Familien verlieren so ihre Väter, Brüder, Söhne.

Bis zu 20 Millionen Menschen sind in Bangladesh direkt oder indirekt von der Textilindustrie abhängig. Eine Arbeiterin oder ein Arbeiter erhält zwischen 1 Euro und 3 Euro als Lohn für einen 12-15 Stunden Tag in den Textilfabrik. Umgerechnet sind das zwischen 8 und 25 Cent pro Stunde. Dieser Lohn reicht hint’ und vorne nicht, um in Bangladesh genügend Essen beschaffen zu können oder die Miete zu bezahlen. Es reicht hint’ und vorne nicht, um der Armut zu entkommen. Es reicht hint’ und vorne nicht für einen adäquaten Lebensstandard.

Eine Landtagsabgeordnete/ein Landtagsabgeordneter in Österreich bekommt 6.867 € monatlich, 14 x im Jahr. Damit kann sich diese Person 85 Stück Hemden oder Blusen zum Preis von je 80 Euro kaufen – monatlich, 14 x im Jahr.

In Bangladesh könnte eine Lohnerhöhung in der Textilindustrie um 50 Cent/Stunde bewirken: Familien können sich ausreichend ernähren und Wohnraum beschaffen. 20 Millionen Menschen könnten mit dieser Lohnerhöhung der Armut entkommen.

1 Prozent der weltweiten Textilien sind giftfrei und fair hergestellt, nach GOTS-Richtlinien.

99 Prozent der großen Masse an Textilien ist zwar schick, aber schädlich.

Mit jeder Person, die diesen Text liest, kann sich dieses Verhältnis ändern. Fair-ändern.

von Monika Gruber (Bergbäuerin in NÖ)