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Zwei Via Campesinas mitten unter den Agrariern published on

Zwei Via Campesinas mitten unter den Agrariern

Wintertagung des ökosozialen Forums, Thema: „Intensivierung? – aber nachhaltig!”, Ackerbautag in Hollabrunn in Niederösterreich. Das who ist who der Landwirtschaft stellt sich ein, ca. 95 % Männer, mittendrin Lisa Hofer-Falkinger und ich. Unsere angekündigte und dann abgesagte Klein-Demo fand wegen verpasstem Zug nicht statt. Schnell ein Via Campesina Tuch umgehängt – Trachtiges hatten wir nicht dabei.

Pernkopf berichtet im Eiltempo über den Vortag mit Themenschwerpunkt Agrarpolitik. Große Argumentationslinien sind die Ernährung der 9 Milliarden Menschen in Zukunft, d.h. Wachstumsbedarf, Effizienzsteigerung der Produktion, besonders auch im Süden, Innovation, Kommunikation, Kooperation. Wir sind kein agrarpolitisches Disneyland! Das Image der Landwirtschaft (heile Welt – kleine Betriebe) soll zurechtgerückt werden. Intensivierung heißt nicht mehr düngen und spritzen, sondern mehr das Richtige machen (?). Er will 100 % ökologische Landwirtschaft.

Na – bumm! Weder die vielleicht 5 % Biobauer-innen im Saal jubelten, noch war Unmut oder gar Buh-Rufe des Rests zu vernehmen. (Quo vadis ökologische Landwirtschaft?) Weinberger von der Hagelversicherung zeigt die Risken und Chancen der Landwirtschaft im Zeichen vom Klimawandel auf. Lisa und ich raunten uns zwischendurch natürlich Kommentare zu den Aussagen der Referenten zu. Mein Zettel mit kritischen Bemerkungen wurde immer voller. Schultes stellt klar, dass auf keinen Fall 7% für irgendwelche Ausgleichsflächen aus der Wertschöpfung herausfallen dürfen. Wir in Ö. sind sowie die Vorreiter bei Öko-Maßnahmen, Biodiversität und können stolz sein auf unser sauberes Grundwasser. Wir arbeiten ordentlich und sauber! Und in Zukunft wird der Maisanbau – auch im Weinviertel – eine bedeutendere Rolle spielen. Wir decken den Inlandbedarf nicht und auch für die Industrie wird es ein immer wichtigerer Rohstoff. Überhaupt Energieproduktion: Er kann die Diskussionen um Biosprit schon gar nicht mehr hören. Natürlich wird dies neben der Lebensmittelproduktion die wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft sein. Auer bemühte sich mit viel Kampfgeist das Seine dazu zu geben: Wir brauchen nicht mehr Auflagen. Die Wertschöpfung muss erhöht werden…Einige Rundumschläge gegen Arbeitkammer und die Roten im Allgemeinen muss in Wahlkampfzeiten dabei sein. Was Lisa und mir den Atem stocken ließ waren ausländerfeindliche (Unter)-Töne: Früher war der Bezirk Rohrbach der mit den meisten Geburten, jetzt ist es meiner Wels, aber, sind alle nur Ausländer – und die haben dann auch noch andere Essensgewohnheiten! Wieder keine Reaktionen vom Publikum – ob sie wohl auch so geschockt wie wir waren? Wir waren schon sehr aufgebracht, als dann die Podiumsdiskussion begann. Es sollten auf keinen Fall Ko-Referate abgehalten werden, sondern nur Fragen gestellt. Meine größte Sorge war, dass wir nicht drankommen, weil die Zeit dafür sehr kurz veranschlagt war. Aber, oh Wunder – keine Hand in der Höhe – außer meiner dann: „Herr Pernkopf, welche Maßnahmen wollen sie ergreifen, dass wir zu 100 % ökologischer Landwirtschaft in Ö. kommen? Thema Bodenverbrauch: Wo war der Bauernbund als die Nordautobahn gebaut wurde – ich und die Bürger_innen-Initiative waren sehr allein bei der Verhinderung bzw. der UVP? Thema sauberes Grundwasser: Warum brauchen wir in unserer Gemeinde Wolkersdorf eine Nitratentfernungsanlage?” Ich hatte (musste) sehr laut gesprochen (Mikro gab’s in dem Saal nur für die Referenten), mein Herz klopfte, Lisa applaudierte – als Einzige. Antworten zu den Fragen….bekam ich keine, wohl Reaktionen: Ihr von Via Campesina, wo war eure Demo heute? Wir lassen uns von euch nicht unsere Landwirtschaft madig machen. Seien wir stolz auf unsere Erfolge …..

Die Fragen im Raum waren so zahllos, dass Lisa leicht auch noch auf Auer und seine Äußerungen reagieren konnte. Sie drückte ihre Betroffenheit angesichts dieser hetzerischen Töne gegen Ausländer aus und fragte, wo denn die intensiven Ackerbauern ihre Arbeiter_innen herbekommen? Auer wies entschieden zurück, dass er in irgendeiner Weise Hetze betrieben habe…Dann bekamen wir wieder als Via Campesina (wie schön, so oft öffentlich genannt zu werden) zu hören, dass wir keine Glaubenskriege führen sollen!

In der Pause wurden wir von einigen Männern (Frauen waren ja fast keine da) angesprochen: Gut, dass ihr euch gerührt habt! (mit Schulterklopfen). Lasst euch nicht unterkriegen! Die könnt ihr nicht mehr ändern! Auch R. Schwarzböck kam, um mir mitzuteilen, dass, wenn nach meinen Vorstellungen vor 20 Jahren (so lang kennen wir uns agrarpolitisch schon) die Agrarpolitik gemacht worden wäre, wir schon verhungert wären. Den zweiten Block zum Thema Ernährungssouveränität konnten wir nicht bis zum Ende verfolgen, bis zur Hälfte war jedoch das Wort ES nicht einmal gefallen. Es war auf Grund der Verspätung im ganzen Ablauf auch zu erwarten, dass das Mittagessen die Podiumsdiskussion auf wenige Minuten verkürzt hätte. Ein Mann lief uns sogar beim Rausgehen noch nach, um uns für unseren Mut zu gratulieren.

Fazit aus der ganzen Geschichte: Zu zweit ging es uns ganz gut. Fragen zu stellen, die sie dann nicht beantworten wollen/können, entlarvt sie in ihrem „wir machen das Beste für euch, wir sind die Besten, Positiv denken, wählt uns,…” Beklemmend war die nicht stattfindende angekündigte kontroversielle Diskussion. Es stimmt, wir werden vielleicht ihre Politik mit so einem Auftritt nicht so verändern, wie wir es gerne hätten, aber „Einfach zu sagen was ist, ist die größte Revolution” – stand beim letzen FrauenAK groß auf der Flip-Chart.