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Recht auf Sicherheit und Ende von Gewalt – Zum Preis des Weizens published on

Recht auf Sicherheit und Ende von Gewalt – Zum Preis des Weizens

Mit eng angewinkelten Beinen hockt sie am Boden. Die Hände hat sie um den Kopf geschlungen. Sie bedeckt ihn unter einem großen Kopftuch. Sie ist elf Jahre alt – und verstummt. Zum zweiten Mal wurde sie verschleppt, zusammen mit ihrem kleinen Bruder. Diesen halten die Entführer noch immer gefangen, obwohl der Vater viel Geld zahlen musste, um wie versprochen seine beiden Kinder zurück zu bekommen.

Das Mädchen hat, seit sie von der Verschleppung heimkehrte, kein Wort mehr gesprochen Nach dem ersten Mal hatte sie noch geredet, weiß ihre Mutter zu berichten. Ihr Vater weint lautlos. Er klagt, die Steuern, die für den Weizen verlangt werden, sind so hoch, und die Erlöse für den Weizen sind so gering. Er sah sich gezwungen, einen Kredit aufzunehmen. Als die Kreditgeber die Schulden einforderten, konnte er nicht zahlen. Seine Familie und Verwandtschaft ist nach dem Verbot des Schlafmohnanbaus verarmt. So ergeht es vielen Bauernfamilien in Afghanistan. London hatte als Drogenbekämpfungsmaßnahme hundert Millionen Euro für die Vernichtung von Schlafmohnfeldern zur Verfügung gestellt. Um in den Genuss einer Rodungsprämie zu kommen, haben manche Bauern überhaupt erst mit dem Mohnanbau begonnen.

Das Mädchen bleibt am Boden hocken. Ihr Gesicht hält sie hinter dem Kopftuch verborgen. Seit Monaten schweigt dieses Kind. Es ist ein elfjähriges Mädchen, das von Schergen der Kreditgeber verschleppt, als Pfand benutzt und wiederholt sexuell missbraucht worden ist. Ihre Seele, durchlöchert, wie von Getreidemotten zerfressen. – Mädchenraub in Afghanistan steht an der Tagesordnung. In meinen Augen stehen Tränen.

Ich drücke die Fernsehertaste, um ihn auszuschalten. Vor dem Schlafengehen ruft meine eigene Tochter an, erzählt von ihrem Arbeitstag in der Stadt. Wir haben eine Menge Gesprächsstoff und lachen viel, gerne und ungeniert miteinander.

Das Mädchen aus dem afghanischen Dorf könnte meine Tochter sein.

von Monika Gruber (Bäuerin im Mostviertel)