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Welternährungstag: Kehrtwende in der EU-Agrarpolitik notwendig! published on

Welternährungstag: Kehrtwende in der EU-Agrarpolitik notwendig!

Gerechter Umbau für Bauern und Bäuerinnen, Klima und Biodiversität statt Stillstand im Interesse der Agrarindustrie!

Anlässlich des Welternährungstages fordert die ÖBV, in der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), gerechtere, gesündere und nachhaltigere Lebensmittelsysteme zu fördern. Denn eine EU-Agrarpolitik, die die Klimakrise weiter verschärft, geht zulasten der Hungernden – und von allen Bauern, Bäuerinnen weltweit.

Die Art und Weise, wie in Europa produziert und konsumiert wird, hat gravierende Auswirkungen auf die Zukunft der Welternährung. „Dies ist die letzte Reform der EU- Agrarpolitik, in der noch etwas gegen die Klimakrise unternommen werden kann!“, so Franziskus Forster von der ÖBV-Via Campesina Austria. Diese Chance steht unmittelbar bevor: Am 19. und 20.10. stimmt das Europäische Parlament über die Zukunft der GAP ab. Auch der Agrarministerrat wird tagen.

Sackgasse erfordert Wandel

Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass ohne eine radikale Kehrtwende bei der Hungerbekämpfung im Jahr 2030 150 Millionen Menschen mehr Hunger leiden werden als heute. (1) Die Corona-Pandemie zeigt, wie verwundbar das derzeitige System ist. Zugleich ist es um das Klima und die Zukunft unserer Ernährung schlecht bestellt. Die Klimakrise trifft die Landwirtschaft direkt und unmittelbar. Die Landwirtschaft ist aber nicht nur Opfer, sondern die industrielle Landwirtschaft ist ein zentraler Verursacher dieser Krise. Derzeit sind viele Bauern und Bäuerinnen mit sinkenden Einkommen konfrontiert. Derzeit stecken wir in einer agrarpolitischen Sackgasse, die zulasten von Bauern und Bäuerinnen und der Umwelt geht. „Die vorherrschende Handels- und Agrarpolitik, sowie unser Wirtschaftssystem sind dafür verantwortlich. Es braucht einen Systemwandel, denn ‚weiter wie bisher‘ ist keine Option! Ein agrarökologischer Wandel ist notwendig und möglich.“ so Forster weiter.

Bericht zeigt: Agrarlobby Copa-Cogeca blockiert zukunftsfähige Antworten

Ein neuer Bericht von CEO (2) hat die Strategien der mächtigen Agrarlobby Copa-Cogeca auf europäischer Ebene untersucht. Die Landwirtschaftskammer Österreich und der Raiffeisenverband sind Mitglied dieses Verbands. Der Verband lobbyiert mit aller Kraft gegen eine klimagerechte Agrarpolitik und die Farm-to-Fork-Strategie.

In Allianz mit den konservativen Parteien (EPP) – und Unterstützung der ÖVP – wird im Europäischen Parlament auf Hochtouren an der Abwehr eines Wandels in die gesellschaftlich gewünschte Richtung gearbeitet. „Die Strategien lauten: Blockieren, vernebeln, verwässern, grünwaschen… Während die Agrarindustrie offene Türen einrennt, werden die wirklichen Probleme unter den Tisch gekehrt. Damit wird eine Politik im Interesse der mächtigen Agrarlobby und gegen die Bauern und Bäuerinnen betrieben. Wir fordern eine Abkehr von dieser visionslosen Abwehrpolitik!“ so Forster.

Bilanz: Schwerer Schaden für die Mehrheit

Diese Politik hat bisher schweren Schaden verursacht:

1) Im Zeitraum von 2000 bis 2012 gingen in der europäischen Landwirtschaft 4,8 Mio. Vollzeitarbeitsplätze verloren. Zwischen 2003 und 2013 gingen 4 Mio. Höfe (von 12 auf 8 Mio.), also ein Drittel der Höfe verloren.

2) Gleichzeitig verfügen Großbetriebe über mehr und mehr Land. Rund 20 % der Betriebe in der EU erhalten 80 % der Agrarsubventionen. Zu niedrige Erzeugerpreise und Subventionen sind die Folge für die Mehrheit. Das delegitimiert die bisherige GAP sowohl für die Mehrheit der Bauern und Bäuerinnen, als auch für alle Bürger*innen und Steuerzahler*innen.

3) Dabei erhalten jene Produktionsformen besonders viel Geld, die dem Klima, der Luft, dem Wasser und der Biodiversität am meisten schaden und am meisten Ressourcen verbrauchen.(3)

4) Diese Profiteure zerstören mit wachsenden Billigexporten die bäuerlichen Märkte in anderen Ländern. Das verschärft die Hungerkrise immer weiter.

„Dieses Agrarmodell wird mit vielen Milliarden Euro gestützt. Wir sollten diese Gelder endlich für den so dringend notwendigen Wandel und agrarökologischen Umbau zu einer bäuerlichen Landwirtschaft nutzen!“ so Forster weiter.

Forderungen der ÖBV zur EU-Agrarpolitik (4)

1) Verpflichtende Deckelung („Capping“) der Förderungen bei höchstens 25.000 € in der ersten Säule, bei gleichzeitiger gerechter Verteilung für eine flächendeckende bäuerliche Landwirtschaft europaweit umsetzen. Die gesellschaftlich wünschenswerte bäuerliche Agrarstruktur muss durch die doppelte Förderung der ersten 20 ha gestützt werden.

2) Über die Eco-Schemes und eine ambitionierte zweite Säule den agrarökologischen Umbau der Landwirtschaft fördern. In den Eco-Schemes müssen bestehende nachhaltige agrarökologische Produktionsmodelle begünstigt werden und in die Minimal-Förderkriterien müssen Fruchtfolgen aufgenommen werden.

3) Menschen- und Arbeitsrechte durch verpflichtende soziale Konditionalitäten sichern. Verstöße gegen bestehende Arbeitsgesetze und -rechte müssen mit der Rückzahlung der Förderungen geahndet werden.

4) Faire Preise für Bauern und Bäuerinnen durch eine Regulierung der Agrarmärkte.

Hintergrund

(1) Jahrbuch zum Recht auf Nahrung 2020 und Positionspapier Welternährung 2030

(2) Corporate Europe Observatory (2020): CAP vs Farm to Fork: Will we pay billions to destroy, or to support biodiversity, climate, and farmers?

(3) Scrown et al. (2020): Billions in Misspent EU Agricultural Subsidies Could Support the Sustainable Development Goals. In: One Earth No. 3/2

(4) Positionspapier der ÖBV-Via Campesina Austria zur „Agrarpolitik nach 2020“

Kontakt:
Franziskus Forster
ÖBV-Via Campesina Austria
Tel.: +43 650 68 888 69

www.viacampesina.at