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“Die ÖBV war immer wichtige Anstoßgeberin!” published on

“Die ÖBV war immer wichtige Anstoßgeberin!”

Im Interview erzählt das ÖBV-Gründungsmitglied und der ehemalige Obmann August Steyrl über prägende Erfahrungen und Geschichten aus den letzten 50 Jahren. Darin wird die facettenreiche Geschichte der ÖBV und der hier aktiven Bauern und Bäuerinnen sichtbar. Denn: Viele weitere Geschichten könnten noch von vielen anderen Aktiven erzählt werden.

Interview von Franziskus Forster mit August Steyrl

Wie bist du zur ÖBV gekommen? Wie war das damals?

Ich war bei der Gründung dabei. Franz Rohrmoser hat Leute verständigt, dass es ein Interesse für eine Vereinsgründung gibt. Kurz vor der Gründung hat die Katholische Sozialakademie eine Studie gemacht zur „Politischen Situation der Bergbauern in Österreich“. Und da ist rausgekommen, dass diese keine Vertretung haben. Das war dann die Grundlage. Wir haben nicht gewusst, was genau daraus wird. In St. Wolfgang haben wir dann diskutiert, ein Wochenende war dann zu wenig, dann haben wir die Gründungsversammlung unterbrochen und im Jänner 1974 dann weitergemacht.

Ein wichtiger Punkt war auch, dass Dr. Franz Stummer, Bergbauernreferent bei der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer, involviert war. Dieser hat vorab schon Statuten ausarbeiten lassen, die sind schon dagelegen, als wir zusammengekommen sind. Es bräuchte nur mehr die Leute, die diese Idee umsetzen. Diese Statuten wurden dann schwer diskutiert und abgeändert. Letztendlich wurde dann die Grundlage für eine eigenständige Bergbauernvertretung geschaffen. Das was rausgekommen ist, das ist die ÖBV-Geschichte.

Wie hat dann die ÖBV-Arbeit in der Anfangszeit für dich ausgesehen?

Das war dann für mich sehr regional. Wir im Mühlviertel sind mindestens einmal im Monat zusammengekommen. Es ging da immer um die Frage: Was können wir selber machen? Die drei Hauptpunkte waren am Anfang die Bildung, die Selbsthilfe und die Politik. Das Büro in Wien hat da vermittelt und unterstützt.

In Rohrbach haben wir zum Beispiel den Maschinenring gegründet, da war ich dann 10 Jahre Obmann. Die Treffen mit dem Erich Geiersberger sind den Maschinenring-Gründungen vorangegangen. Am Anfang waren wir manchmal fast ängstlich. Wir dachten: 30-40 Bauern werden wohl schon mitmachen. Wir haben das ausgeschrieben und auf einmal waren dann 150 Bauern da. Der Maschinenring hat sich dann weiterentwickelt, da hat es die ÖBV dann nicht mehr gebraucht. Jetzt ist das eine Kammerorganisation.

Welche anderen Initiativen habt ihr noch vorangetrieben?

In der Zeit von Kreisky haben wir in der Bergbauernvereinigung die AIK-Kredite diskutiert. Anfang der 70er sind die Förderungen für die Bauern in erster Linie über die Kredite gelaufen, die von den Raiffeisenkassen vergeben wurden und je nach Einstufung und Einheitswert hat der Bauer von 0 bis 2 % Zinsen gezahlt, die Raika hat aber 5 oder 6 % verrechnet. Das hat dann die Republik gezahlt. Und das hat dem Kreisky nicht gefallen. Und da ist dann die Idee mit der Direktzahlung für Investitionen gekommen, da ist der Kreisky gleich aufgesprungen: Das Geld, das die Republik an die Kassa zahlt, das geben wir den Bauern direkt, wenn sie investieren.

Wir haben zum Beispiel zu dritt die Biosaat gegründet, mit dem Gahleitner Hans unter anderem. Wir haben aber kein Geld gehabt, aber es war möglich, weil man Eigenleistung in Geld umrechnen konnte und 45-50 % der Gesamtinvestitionssumme haben wir direkt über den Bergland-Aktionsfonds von der Regierung gezahlt bekommen. So haben wir die Biosaat aufgebaut, wir hätten das sonst nicht geschafft. Der Bergland-Aktionsfonds war eine sehr wichtige Sache und da hat sich dann auch sehr viel getan. Es sind viele Projekte entstanden, die es heute noch gibt. Schlachträume konnten eingerichtet werden, die Bergkräuter-Genossenschaft wurde gegründet und vieles mehr. Das ging in Richtung Selbsthilfe, Verarbeitung und Direktvermarktung usw. Auch die Bergbauernförderung war damals ein ganz wesentlicher Punkt. Auch dafür wurde wichtige Vorarbeit geleistet.

Welche Schwerpunkte gab es dann während deiner Zeit als Obmann?

Als ich 1988/89 Obmann der ÖBV geworden bin, da haben wir zum Beispiel den Bildungskurs der ÖBV angefangen. Da waren der Biolandbau und die Direktvermarktung sehr wichtig. Damals ist in keiner Landwirtschaftsschule in Österreich über Biolandwirtschaft geredet worden, es gab kein Unterrichtsfach. Und dann haben wir mit diesem Kurs angefangen zu diesen Themen, dazu auch die Direktvermarktung und das „Handbuch Direktvermarktung“. Das war dann für alle sehr hilfreich, die hier mehr wissen wollten. Und das war wieder so ein Beispiel, wo die ÖBV eine Anstoßgeberin für richtungsweisende Initiativen war: Plötzlich hat man in den Landwirtschaftsschulen darüber nachgedacht, den Lehrplan so zu gestalten, dass auch der Biolandbau vorkommt. In unserer Gegend wurde dann in Schlägl die Landwirtschaftschule sogar als Bioschule begründet, das war die erste Biolandwirtschaftsschule in ganz Österreich. Das waren so Einstiegshilfen für die Schulbehörden. Sie haben gemerkt: „Aha, jetzt müssen wir etwas tun.“ Da sind sie sicher aufgeweckt worden. Bei der Direktvermarktung war es das gleiche. Auf einmal hat auch die Landwirtschaftskammer Kurse zur Direktvermarktung angeboten.

Auch die MÜLI, das war auch so eine Idee: Wir produzieren und die Konsumenten sollen uns entgegenkommen und uns beim Vermarkten helfen. Diese Idee, die lebt ja bis heute weiter in den Einkaufsgemeinschaften. Konsument*innen schließen sich mit einem Verein zusammen und kommen dann auf den Hof, um Produkte abzuholen.

Auch in der Arbeit mit Bäuerinnen hat sich einiges getan.

Ja, da war die Heigl Traude, die haben wir angestellt. Sie ist aus der Entwicklungszusammenarbeit aus Südamerika zurückgekommen, sie war interessiert daran, die Bäuerinnenarbeit voranzutreiben. Sie ist herumgefahren und hat Bäuerinnenkreise aufgebaut. Und dann ist in weiterer Folge auch der Druck entstanden für die Bäuerinnenpension. Da war meine Liebste, die Annemarie, auch dabei. Da war zum Beispiel eine Veranstaltung im Mühlviertel und sie wurden von den Bauernbundfunktionären nur ganz derb verspottet, weil sie gefordert haben, dass die Bäuerinnen eine eigene Pension wollen. Sie hätten ja eh den Bauern, ihren Mann, der sich um sie kümmert. Aber es wurden in dieser Zeit immer mehr Fälle sichtbar, wo sich zeigte, dass die Frauen bei einer Scheidung um ihre Pensionsjahre gekommen sind, die Jahre haben ihnen dann gefehlt und so waren sie dann Mindestpensionsbezieherinnen. 1992 kam dann die Bäuerinnenpension. Das hat sehr, sehr lange gedauert. Ja und der Bauernbund ist dann – als es nicht mehr aufzuhalten war – aufgesprungen und sie haben behauptet, dass sie das erfunden hätten. Aber gut, dass es endlich passiert ist, das war ja letztlich die Hauptsache.

Welche Geschichten gibt es, die dir spontan aus dieser Zeit einfallen?

Eine schöne Anekdote war, dass einer der ersten Miststücke-Sketches auf gewisse Weise bei uns entstanden ist. Die haben einfach eine Szene bei uns am Frühstückstisch nachgespielt: Was im Herbst bei uns am Frühstückstisch oft geredet worden ist. Wir hatten seit den 50er-Jahren einen riesigen Obstgarten mit fast 100 Zwetschgenbäumen zum Schnapsbrennen, den mein Vater gesetzt hat. „Weil wenn die Russen wieder kommen, dann brauchen wir viel Schnaps“, das war das Argument und die Erfahrung aus der Besatzungszeit. Jedenfalls war jeden Tag das gleiche Thema am Tisch, dass die Zwetschgen verfaulen und dass die niemand zusammenklaubt. Und irgendwann hab ich dann einmal die Motorsäge genommen und hab den halben Obstgarten niedergemäht, weil es nicht mehr anders gegangen ist. Und daraus wurde dann der erste Miststücke-Sketch.

Und eine andere Geschichte muss ich noch erzählen: Über die Reise von der Milchkuh Holunder, aus Pfarrkirchen im Mühlviertel. Mit der sind wir einmal zum Parlament hingefahren, dort haben wir dann die Kuh abgeladen und in der Auffahrt zum Parlament haben wir sie dann gemolken. Ein Schübel Polizei war auch dabei. Und da waren wir dann mit einem Bericht im Mittagsjournal: Darüber, was wir denn da machen, und warum.

Die ÖBV war immer schon aktionistisch und auf Öffentlichkeitsarbeit hin orientiert?

Ja. Es war schon immer ein ÖBV-Anliegen, dass wir in der Öffentlichkeit vorkommen. Das haben wir schon schnell begriffen, dass das gefürchtet ist, wenn Leute aus der Praxis mit einem bestimmten Thema an die Öffentlichkeit gehen. Ein anderes Mal haben wir eine Pressekonferenz abgehalten, da waren die Maria Vogt und die Putz Maria schon dabei. Da ging es um den EU-Beitritt, z’Wean, im Cafe Landtmann.

Da ging es zum Beispiel um die Direktvermarktungsvorschriften. Weil da haben sie uns auch 10 Jahre lang sekkiert. Den Milchwirtschaftsfonds, den hat es vor dem EU-Beitritt gegeben. Und wir haben mit dem Milch liefern nach Linz angefangen: Dreimal pro Woche haben wir Milch abgefüllt und nach Linz geliefert. Der erste Gegenwind ist damals vom Milchwirtschaftsfonds gekommen: „Ja dürfen denn die Bauern die Milch selbst direkt an die Leute verkaufen?“. Da hat es ein Verfahren gegeben. Wir haben uns immer wieder dagegen gestellt. Naja, 10 Jahre hat das gedauert. Der Prozess ist dann nicht zu Ende geführt worden, weil dann der EU-Beitritt gekommen ist und dadurch wurde der Milchwirtschaftsfonds aufgelöst. Aber da sind wir immer mit dem Gesetz im Konflikt gewesen: Dürfen wir das tun oder nicht? Darf ein Bauer direkt in Linz Milch verkaufen?

Und dann haben die Behörden umgeschalten auf die Hygiene. Die Hygienerichtlinie ist dann gekommen. Da hat es dann geheißen, dass die Bauern die gleichen Richtlinien einhalten müssen wie das Gewerbe. Da sind dann natürlich viele ausgestiegen. Gleichzeitig war das dann auch die Zeit, wo die Supermärkte eingestiegen sind bei Bio und bei der Vermarktung. Wir haben dann auch aufgehört mit der Milch.

In den 90ern brachte der EU-Beitritt viele Veränderungen. Wie seid ihr damit umgegangen?

Ja, ein weiterer Meilenstein war natürlich der EU-Beitritt. Wir haben da im Vorfeld immer die Informationsversammlungen gemacht. Die Überschrift war: „Was sollen wir wollen?“ Das war eine Redewendung von unserem Philosophen, vom Heindl Bernhard. Da hatten wir sehr viele Akademiker da und da haben wir mit dem ganzen Bezirk Veranstaltungen gemacht. Da ist es in erster Linie um die Agrarfragen gegangen. Wenn ich heute zurückschaue: Das, was wir dort damals diskutiert haben und wie heute die agrarische Situation ausschaut: Wir sind nicht weit daneben gelegen. Die Prognosen, wo wir gesagt haben: Wenn die Agrarpolitik in der EU so gemacht wird, wie sie damals bei der Mehrheit in Europa ausgesehen hat. Ja und jetzt sind wir dort.

Aber da wurden wir bekämpft von den österreichischen Bauernvertretern, vom Bauernbund. „Das geht sowieso nicht, was ihr da fordert. Und wir fangen das alles auf.“ Aber jetzt sind wir eigentlich mit der industriellen Landwirtschaft so weit. Es bilden sich immer mehr solche Betriebe heraus. Wenn ein Landwirt aufgibt, dann hat er immer noch genügend Pächter zur Hand. Das sind dann lauter solche Betriebe, die schon 100 Kühe haben. Und die kriegen dann die Förderungen auch entsprechend.

Mit Beihilfen haben sie uns im Jahr nach dem Beitritt dann zugeschüttet. Aber das ist eh bis heute das Gefährliche: Dass Bauern von den Förderungen abhängig sind und nicht mehr vom Ertrag der Felder. Auf Dauer kann das nicht gut gehen.

Welche Bündnisse, Allianzen, Kooperationen mit anderen Gruppen gab es noch?

Wichtig war auch, dass dann noch die Verbindung zu den europäischen Gruppen gekommen ist, zur Confederation Paysanne Européenne (CPE).[1] Das war vor dem EU-Beitritt, die CPE ist 1986 gegründet worden. Das war für mich dann ja auch recht interessant, dass ich dann zu solchen Versammlungen gefahren bin. Dass man das mal miterlebt hat. Ich als kleines Mühlviertler Bäuerlein fahre nach Brüssel. Und da sitzt man dann im Kreis von Bauernvertretern aus 10 Ländern. Aber wie mühsam mir das dann vorgekommen ist, dass wir da nicht eine Sprache sprechen können, um uns zu verständigen. Da ist mir dann klargeworden: Dieses europäische Projekt, das ist nicht ohne. Aber das waren liebe Leute, mit einzelnen von ihnen habe ich bis heute noch Verbindungen. Wir haben uns immer wieder besucht. Auch der Bäuerinnenaustausch war sehr wichtig, den die ÖBV organisiert hat. Nach Finnland, Frankreich, Norwegen und Slowenien, überall waren sie. Das war auch etwas sehr Gutes.

Was wünschst du der ÖBV für die Zukunft? Was wäre (weiterhin) wichtig?

Die ÖBV sollte es noch weitere 50 Jahre geben. Aber wir müssen uns schon weiterentwickeln. Weil die industrialisierte Landwirtschaft, die walzt so viel nieder. Wir sollten noch mehr zeigen: Welche Alternativen gibt es? Auch ein Beispiel von unserem Hof: Welche Berufskombinationen gibt es, die man mit Direktvermarktung verbinden kann, wie kann man eine Landwirtschaft führen, wo aber auch eine Lebensqualität erhalten bleibt? Welche Modelle gibt es da? Es gibt viele, die mit der Landwirtschaft grade wieder anfangen. Viele ziehen wieder aufs Land. Das zu unterstützen, das könnte die ÖBV weiterverfolgen: Mut und Kraft für junge Leute vermitteln, dass der Boden einen Wert hat, dass man damit etwas anfangen kann.

August Steyrl, Gründungsmitglied und ehem. Obmann der ÖBV. Biobauer in Rohrbach

Dieses Interview ist in der ÖBV-Zeitschrift “Bäuerliche Zukunft” Nr. 381 (1/2024) zum Schwerpunkt “50 Jahre ÖBV!” erschienen. Abos können hier bestellt werden.

[1] Anm. der Redaktion: Die von der ÖBV mitbegründete CPE war die Vorläuferorganisation der heute existierenden Europäischen Koordination Via Campesina (ECVC), www.eurovia.org – Die CPE war 1993 eine der Gründungsverbände von La Via Campesina.