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GAP-Reform: Bäuerinnen für Chancengleichheit am Land! published on

GAP-Reform: Bäuerinnen für Chancengleichheit am Land!

Bäuerinnen fordern Agrarwende & Chancengleichheit (Kurzversion)

ÖBV fordert: Gelder für ländliche Entwicklung jetzt gerecht verteilen!
Aktuell wird in Österreich darüber entschieden, wen die ländliche Entwicklung in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in den nächsten zehn Jahren finanziell unterstützen wird. Obwohl besonders Frauen aus ländlichen Gebieten abwandern, werden in der Agrarpolitik männlich dominierte Arbeitsplätze stärker gefördert. Deshalb fordern Bäuerinnen und Frauen im ländlichen Raum Landwirtschaftsministerin Köstinger und Frauenministerin Raab auf, Chancengleichheit von Frauen und Männern jetzt umzusetzen und eine gerechte Verteilung der Fördergelder sicherzustellen. Warum das wichtig ist, zeigen die Bäuerinnen in einem Video auf.
Siehe auch: zehn Videos-Statements und Brief an Ministerinnen.

Denn es geht um viel Geld: Die Dotierung für die Periode 2021 – 2027 wird weiterhin in etwa 1,1 Mrd. Euro pro Jahr für die Ländliche Entwicklung umfassen. Dieses Geld soll allen Menschen im ländlichen Raum zugute kommen und mit den Maßnahmen müssen Antworten auf drängende Fragen der Gesellschaft umgesetzt werden.

Landflucht ist weiblich
Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen und Männern am Land sind nach wie vor sehr unterschiedlich. Wie eine aktuelle Studie (2) bestätigt, finden vor allem junge Frauen zu wenige attraktive Arbeitsplätze und wünschen sich eine bessere Infrastruktur im ländlichen Raum. Über 30 % der jungen Frauen überlegen, vom Land in die Stadt zu ziehen. Von den jungen Männern sind es nur gut 17 %. “Viele junge Menschen gehen für ihre Ausbildung vom Land in die Stadt. Vor allem Frauen fällt die Rückkehr schwer. Wir brauchen mehr attraktive Jobs für Frauen am Land, bessere Kinderbetreuungseinrichtungen und gute Pflegedienste. Das würde Frauen auch mehr Zeit für politische Beteiligung verschaffen. Weiters braucht es Impuls- und Anschubfinanzierungen für Gründungen von Frauen in ländlichen Regionen, sowie Gründungsberatungsstellen speziell für Frauen. Hier könnte das Programm für ländliche Entwicklung in der Agrarpolitik wichtige Impulse setzen”, so Claudia Prudic, Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle Wendepunkt in Wiener Neustadt. 


Das Ziel Gleichstellung umsetzen
Frauen leisten für einen lebendigen ländlichen Raum besonders viel Arbeit, da sie nach wie vor den größten Teil der Kinderbetreuung, der Haus- und Pflegearbeit übernehmen und sich für ein soziales Miteinander im Dorf einsetzen. Die bisher geplanten Maßnahmen zur Förderung der ländlichen Entwicklung sind nicht genderneutral und berücksichtigen diese systemrelevante Arbeit der Frauen völllig unzureichend. Männer profitieren wesentlich mehr von diesen öffentlichen Geldern”, so Julianna Fehlinger, Geschäftsleiterin der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung (ÖBV). “Auf EU-Ebene haben die Agrarminister_innen Gleichstellung als Ziel formuliert. Jetzt braucht es den politischen Willen, Gleichstellung in allen Maßnahmen der ländlichen Entwicklung umzusetzen”, so Fehlinger weiter.


Viel Geld für Männer und große Projekte
Die Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Beantragung von Förderungen ist am Papier festgeschrieben”, so Maria Vogt, Biobäuerin im Weinviertel. “In der Praxis sieht es jedoch anders aus.” Dies zeigt sich zum Beispiel bei der Förderung für landwirtschaftliche Investitionen, für die in der Periode 2014 – 2020 701 Millionen Euro budgetiert waren.  Nur 15 % der Anträge auf Investitionsförderung wurden von Frauen gestellt, obwohl sie gut 30 % der landwirtschaftlichen Betriebe führen. (3) “Ein klares Ungleichgewicht!” so  Maria Vogt. Um überhaupt Investitionsförderung beantragen zu können, muss die Projektsumme mindestens 15.000 Euro betragen. Das schließt kleinere Investitionen, wie sie Frauen oft für die Lebensmittelverarbeitung und Direktvermarktung am Hof brauchen würden, von der Förderung aus. “Das ist diskriminierend, dass Ställe für Massentierhaltung massiv gefördert werden, wir aber für kleinere Umbauten oder Investitionen in die Direktvermarktung gar keinen Antrag stellen können,” so Christine Pichler-Brix, Bergbäuerin am Attersee und aktiv im ÖBV-Frauenarbeitskreis.


Zahlungen pro Hektar nicht genderneutral
Auch die sogenannten “Direktzahlungen” der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die pro Hektar berechnet werden, sind nicht genderneutral: 49 % der Fördergelder gingen im Jahr 2018 an nur 18,7 % der landwirtschaftlichen Betriebe. (4) Betriebe mit weniger als 1,5 Hektar erhalten keine Zahlungen. Große landwirtschaftliche Betriebe werden weit seltener von Frauen geführt, als kleine Betriebe.  Frauen leiten ein Drittel der kleinen Höfe unter 20 ha, aber nur 13 % der größten Höfe. (4) “Wir fordern eine doppelte Förderung der ersten 20 Hektar jedes Betriebes”, so Christine Pichler-Brix von der ÖBV. “Das würde kleinen, vielfältigen Betrieben im Allgemeinen und insbesondere auch uns Frauen helfen. Denn wir tragen wesentlich zur regionalen, nachhaltigen Lebensmittelversorgung.”


Mangel an Daten und Gleichstellungsorientierung
Grundsätzliche Schwächen bei der wirkungsorientierten Steuerung des Landwirtschaftsministeriums stellte auch der Rechnungshof 2019 fest(5): Die Kennzahlen sind unzureichend und genderbezogene Daten fehlen. Auch die Evaluierungsstudie “Gleichstellung von Männern und Frauen im Österreichischen Programm für ländliche Entwicklung 2014-2020” (3) stellte, dass für eine gendergerechte Ausrichtung des Programms wesentliche Daten fehlen. 


ÖBV an Ministerinnen: Gleichstellung jetzt!
“Wir fordern die Ministerinnen Köstinger und Raab auf, jetzt endlich im Sinne von Frauen und Gleichstellung aktiv zu werden. Die österreichische Regierung hat jetzt die Möglichkeiten, für mehr Chancengleichheit im ländlichen Raum und in der Agrarpolitik zu sorgen! Wir haben genug gute Ideen, wie das umgesetzt werden kann. Aber wir Betroffenen und Vordenkerinnen müssen in den Reformprozess einbezogen werden! Damit das wirklich passiert, braucht es  auch mehr Druck aus der Bevölkerung”, so Christine Pichler-Brix abschließend. 

Weitere Informationen:
Videos mit Statements von Bäuerinnen
Forderungen zur Gleichstellung im Programm für ländliche Entwicklung

Kontakt:
Julianna Fehlinger, Geschäftsführerin der ÖBV: , 0664 75089612
Maria Vogt, Biobäuerin im Weinviertel, 0660 4076144

Quellen
(1) Videos: Einzelvideos und Kurzvideo
(2) Adeg Dorfleben Report 2020
(3) Gleichstellung von Männern und Frauen im Österreichischen Programm für ländliche Entwicklung 2014-2020
(4) Grüner Bericht 2019
(5) Rechnungshofausschuss diskutiert mit Köstinger über Gleichstellungsziele